Die neue Miss Japan stammt aus der Ukraine - das regt halb Japan auf

Fünf Frauen mit Schärpe stehen in einer Reihe
Karolina Shiino "ist japanischer als wir", sagen ihre Fans - und doch sorgte ihre Kür in Japan für eine Welle der Empörung

von Juri Wegner

„Dies ist ein trauriger Tag für Japan, denn es zeigt, dass japanische Traditionen und japanische Identität verwestlicht werden.“ So empörte sich ein Leser auf der Seite Japan Today angesichts der Wahl der neuen Miss Japan. Denn die stammt ursprünglich aus der Ukraine. Karolina Shiino zog mit fünf Jahren nach Japan, weil ihre Mutter damals einen Japaner geheiratet hat. 

Heute ist die 26-Jährige längst eingebürgert und wird trotzdem nicht von allen als Japanerin akzeptiert. Ihre Wahl zur Miss Japan hat in den letzten Tagen auf Social Media eine Debatte über Rassismus und Identität verursacht und wirft einmal mehr die Frage auf, wie zeitgemäß diese Form von Schönheitswettbewerben ist.

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Japans strenge Migrationspolitik

Während des Wettbewerbs erzählte Shiino von „Rassenschranken“ und vielen Fällen, in denen sie nicht akzeptiert wurde, obwohl sie als Japanerin lebe. Das spiegelt sich auch in der restriktiven Migrationspolitik Japans wider, die den Ausländeranteil im Land bei knapp drei Prozent hält. Die Geburtenrate der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt sinkt so drastisch, dass die UN vor einer Halbierung von Japans Bevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts warnt. 

Ein Leser bei Japan Today meinte angesichts der demografischen Situation gar: „Japans Mythos einer homogenen Monokultur muss sterben, oder Japan wird sterben.“ Deshalb versucht die Regierung, ausländische Arbeitskräfte zu gewinnen.

Als Gäste jedoch, nicht als Einheimische. 2008 bezahlte die japanische Regierung viele brasilianische Arbeiter dafür, dass sie in ihr Heimatland zurückkehrten ein Einreiseverbot für Japan bekamen.

Die Debatte um Rassismus ist nicht neu: Bereits 2015 wurde die erste Halb-Japanerin, auch „Haafu“ genannt, zur Miss Japan gewählt. Ariana Miyamoto hat einen afroamerikanischen Vater und eine japanische Mutter. Der New York Times gegenüber sagte sie: „In Restaurants geben mir die Leute eine englische Speisekarte und loben mich dafür, dass ich mit Stäbchen essen kann.“ Sie hoffte damals, dass ihre Wahl die Vorurteile und Denkmuster durchbrechen könne. Doch knapp 10 Jahre später zeigt sich, dass Japan noch immer mit seiner Identität hadert.

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Doch es gibt auch viele positive Reaktionen auf die Wahlergebnisse. „Wenn man die japanische Staatsbürgerschaft hat, ist man eine Japanerin. Ist das nicht alles, was es zu sagen gibt? Was gibt es da noch zu beweisen?», schrieb ein X-Nutzer. 

Die Organisation der Miss Japan-Wahl begründete ihre Entscheidung folgendermaßen: „Sie spricht und schreibt in schönem und höflichem Japanisch. Sie ist japanischer als wir.

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Kritik

Dabei werden die Regeln für Miss-Wahlen immer liberaler. Organisatoren beschwichtigen, dass die Teilnehmerinnen an Diversität zulegten. So nähmen auch ältere Menschen oder Plus-Size-Frauen an den Wettbewerben teil. Bei den Miss-Wahlen in den Niederlanden und in Portugal gewannen je eine Transfrau die Wahlen.

Kritiker bemängeln den enormen psychischen Druck, dem die Teilnehmerinnen ausgesetzt seien. Zudem würden falsche Vorbilder geschaffen und diverse Körperformen nur zur Vermarktung genutzt, anstatt echte Anerkennung zu schaffen. Schönheitswettbewerbe leben davon, ausreichend Drama zu schaffen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, sie sollen aber nicht zu viel Kontroversen hervorrufen, was Zuschauer abschrecken könnte. Solange es auffällt, dass Karolina Shiino ursprünglich nicht aus Japan stammt, ist für genügend Aufmerksamkeit gesorgt. 

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