„Miss“-Wahlen im heutigen Sinn gibt es in Europa seit 1888, als im belgischen Seebad Spa mit einem „Concours de Beauté“ die erste Schönheitskonkurrenz abgehalten wurde. Damals ging es so schicklich zu, dass die 350 Bewerberinnen zwischen 18 und 35 Jahren nicht einmal von der Jury angesehen werden durften. Die Vorauswahl wurde anhand von Fotos getroffen. Erst die Damen, die in die Endrunde gelangten, konnten – natürlich züchtig verhüllt – persönlich betrachtet werden.
Erstmals im Badeanzug durften sich die Bewerberinnen zur „Miss America 1921“ präsentieren. Die Gewinnerin Margaret Gorman war nur 1,52 m groß und hatte die Maße 75-62-89. Acht Jahre später wurde die 19-jährige Lisl Goldarbeiter als erste Österreicherin in den USA zur „Miss Universe“ und damit zur schönsten Frau der Welt gekürt. Sie bekam 2.000 Schilling als Preisgeld und ein lukratives Angebot nach Hollywood zu gehen, das sie jedoch „wegen Heimweh“ ausschlug.
Bei ihrer Rückkehr nach Wien wurde Lisl Goldarbeiter am Westbahnhof von Tausenden Menschen empfangen. Sie erhielt jede Menge Heiratsanträge und entschied sich für Wiens „Krawattenkönig“ Fritz Spielmann, einen berüchtigten Playboy, der ihr bald wieder abhanden kam.
Nach dem Krieg schaffte es Nadja Tiller wie erwähnt 1949 auf etwas krummen Wegen. Aus unerfindlichen Gründen steht in zahllosen Zeitungsartikeln und auch im Internet, dass die Tiller 1951 – diesmal .ganz korrekt – ein zweites Mal „Miss Austria“ wurde. Sie hat mehrfach betont, dass dies falsch sei. Stattdessen startete sie ihre große Filmkarriere.
Ganz anders das Schicksal der „Miss Austria 1958“, die nach ihrer Wahl auf die schiefe Bahn geriet. Dabei schien Gundula Reiter (Name geändert) das Glück gepachtet zu haben, als sie mit 19 Jahren auch „Miss Europa“ wurde. Doch dann kam der tiefe Fall. Die Schönheitskönigin wurde 1960 in London wegen Ladendiebstahls verhaftet, bei dem sie Schmuck und Pelze im Wert von umgerechnet 360.000 Schilling mitgehen hatte lassen. Sie war acht Monate in Haft und stand auch später mehrmals wegen verschiedener Eigentumsdelikte vor Gericht. Schließlich erkrankte sie nach Einnahme von Schlankheitspräparaten und starb 1980 im Alter von 41 Jahren. Vor ihrem Tod sagte sie, „dass einem dieser ganze Wirbel nicht gut tut, wenn man noch jung und dumm ist“.
Eine zweite Karriere – diesmal als Rennfahrerin – schaffte die Steirerin Mercedes Stermitz, nachdem sie 1983 „Miss Austria“ geworden war. Doch sie fuhr auch privat zu schnell und stieß 1993 auf der Felbertauernstraße beim Überholen eines Lastwagens frontal gegen einen entgegenkommenden Pkw, dessen Fahrer wie sie selbst beinahe gestorben wäre. Die heute 64-jährige Ex-„Miss“ lag fünf Wochen im Koma und hat sich nie ganz von ihren schweren Verletzungen erholt.
Mit 17 Jahren nahm sich Csilla Molnár, „Miss Ungarn 1985“, von Managern und Werbeagenten benützt, erpresst und betrogen, das Leben, andere endeten nach Schönheitsoperationen oder einem Bergunfall. María José Alvarado, die „Miss Honduras 2014“, wurde mit 19 Jahren von einem eifersüchtigen Liebhaber erschossen.
Als ich Nadja Tiller 1987 befragte, kam sie auf die Licht- und Schattenseiten des „Missen“-Gewerbes zu sprechen: „Die Gefahr für so viele Mädchen besteht darin“, sagte sie, „plötzlich im Rampenlicht zu stehen, nach ein, zwei Jahren aber wieder von der Bildfläche verschwinden zu müssen.“
Andere beweisen, dass sie ihr Leben in Schönheit auch ohne Schrammen und gröbere Skandale meistern:
Die Steirerin Eva Rueber-Staier, ihres Zeichens „Miss World 1969“, war in mehreren (auch drei James-Bond)-Filmen als Schauspielerin tätig und lebt, heute 72-jährig, zurückgezogen als freie Künstlerin nahe London.
Ulla Weigerstorfer, ebenfalls aus der Steiermark und „Miss World 1987“, arbeitete lange für das Team Stronach, unter anderem als Nationalratsabgeordnete, und betreibt, heute 55-jährig, eine Consulting-Agentur.
Die Wienerin Christine Reiler, „Miss Austria 2007“, studierte Medizin und ist mit ihren 40 Jahren als Ärztin und Moderatorin des ORF-Magazins „Bewusst gesund“ tätig.
Die zweifellos glanzvollste Karriere nach ihrer „Missen“-Zeit blieb freilich Nadja Tiller vorbehalten.
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