Italienischer Experte: "Covid-19 existiert nicht mehr"

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Vom klinischen Standpunkt betrachtet, existiere das Coronavirus in Italien nicht mehr, so Mediziner Alberto Zangrillo. Kritik an Aussagen bis hinauf zur WHO.

Vom klinischen Standpunkt betrachtet, existiert das Covid-19 in Italien nicht mehr. Dies behauptete am Sonntag der Leiter der Abteilung für Intensivtherapien der San Raffaele-Klinik in Mailand, Alberto Zangrillo, im Interview mit RAI 3.

"Noch vor einem Monat behaupteten Epidemiologen, Italien würde Anfang Juni eine neue Epidemiewelle drohen. Das ist lächerlich. Das Virus existiert vom klinischen Standpunkt betrachtet nicht mehr", sagte Zangrillo, der in Italien auch als Arzt von Expremier Silvio Berlusconi bekannt ist.

Aus den Abstrichen, die in den letzten zehn Tagen durchgeführt wurden, gehe klar hervor, dass die Virulenz des Covid-19 minimal gegenüber jener vor zwei Monaten sei.

"Das sage ich im Bewusstsein des Dramas der vielen Patienten, die es nicht geschafft haben", sagte Zangrillo.

Der Experte beschuldigte die Regierung um Premier Giuseppe Conte, sich von Virologen beraten zu lassen, die das Land lahmgelegt und die Italiener terrorisiert hätten.

"Wir wollen die Patienten behandeln, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass Italien zu einem normalen Leben zurückfindet. Italien ist in der Lage, heute schon ein normales Leben zu führen", sagte Zangrillo.

WHO reagiert scharf

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Äußerung Zangrillos mit einer scharfen Warnung zurückgewiesen. "Wir müssen ganz besonders vorsichtig sein, nicht den Eindruck zu vermitteln, dass das Virus von sich aus plötzlich beschlossen hat, weniger krank zu machen", sagte der WHO-Experte Michael Ryan. "Das ist überhaupt nicht der Fall", so Ryan in einer virtuellen Pressekonferenz in Genf.

Gesundheitsrat: "Oberflächliche Aussagen"

Italiens Oberster Gesundheitsrat (CTS), der die italienische Regierung in Sachen Coronavirus berät, kritisierte Zangrillo scharf. Dessen Aussagen seien "oberflächlich und irreführend", so CTS-Koordinator Agostino Miozzo. "Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise für Zangrillos Aussagen. Am Sonntag wurden noch 80 Todesopfer und Hunderte neue Infektionsfälle in Italien gemeldet, 50 Prozent davon in der Lombardei, Zangrillos Region", kommentierte Miozzo, demnach sei die Pandemie in Italien noch nicht zu Ende.

CTS-Präsident Franco Locatelli bestritt, dass seine Behörde, Italien "terrorisiert" habe, wie Zangrillo behauptet. Italien habe die Zahl der Plätze auf den Intensivstationen aufgestockt. "Dies ist ein enormer Verdienst des italienischen Gesundheitssystems. Somit wurde eine angemessene Antwort auf die Anforderungen der Patienten geben. Die Plätze auf den Intensivstationen werden auch in Zukunft zur Verfügung stehen", so Locatelli.

"Niemand darf das Drama vergessen"

"Wir sollten darüber erfreut sein, dass die Lockdown-Maßnahmen die erhofften Resultate gebracht und die Verbreitung der Epidemie eingegrenzt haben. Damit konnten viele Menschenleben gerettet werden. Dies soll uns weiterhin zu verantwortungsbewusstem individuellen Verhalten bewegen", so Locatelli. Er bezeichnete Zangrillos Aussagen als "gefährlich". "Niemand darf das Drama vergessen, das Italien erlebt hat", sagte der CTS-Präsident.

 60 Todesopfer in 24 Stunden

Italien hat am Montag neuerlich einen Rückgang der täglichen Coronavirus-Toten verzeichnet. Von Sonntag auf Montag starben 60 Menschen am Coronavirus, während es in den vorangegangenen 24 Stunden noch 111 gewesen waren, teilte der italienische Zivilschutz mit. Zudem wurden lediglich 178 Neuinfektionen gezählt, nur gut halb so viel wie in Deutschland (333 am Montag).

Insgesamt sind damit 33.475 Menschen in Italien am Coronavirus gestorben. Die Zahl der aktiv Infizierten betrug am Montag 41.367, in den Spitälern wurden 6.099 Personen behandelt, davon 424 auf Intensivstationen. Dies sind um neun weniger als am Sonntag. 

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