Erdoğan und der Humor: Hitler ist gestattet, Tiere nicht

Erdoğan und der Humor: Hitler ist gestattet, Tiere nicht
Nur Sultan Abdülhamid II. war in Sachen politischer Satire dünnhäutiger als der türkische Präsident.

Ob Recep Tayyip Erdoğan privat so witzig ist, wie es das französische Satiremagazin Charlie Hebdo mit seiner jüngsten Karikatur vermutete, wird man wohl nie erfahren. Offiziell hat die Zeichnung, in der Erdoğan den Rock einer verschleierten Frau lüftet, das türkische Staatsoberhaupt so verletzt, dass er die Staatsanwaltschaft einschaltete und von einem „neuen Kreuzzug“ sprach.

Hätte Charlie Hebdo Erdoğan als Adolf Hitler gezeichnet, wäre seine Reaktion wahrscheinlich wesentlich ruhiger ausgefallen.

Hingegen als Tier verunglimpft zu werden, das kann der Staatschef nicht gutheißen: Als das mittlerweile eingestellte türkische Satiremagazin Penguen Erdoğan 2005 auf seiner Titelseite als verschiedene Tiere darstellte, verklagte er die Zeitschrift wegen Beleidigung. Eine im Jahr 2015 erschiene Hitler-Karikatur Erdoğans beachtete der türkische Machthaber hingegen nicht, lobte aber wenig später die „Form des effektiven Präsidialsystems Hitlerdeutschlands“.

Erdoğan und der Humor: Hitler ist gestattet, Tiere nicht

Tiere mit Erdoğans Gesicht: "Penguen"-Cover 

Auf Linie gebracht

Wie Penguen verschwanden auch andere Satiremagazine in den vergangenen Jahren aus der türkischen Medienlandschaft, die durch Erdoğans Eingriffe auf Linie gebracht wurde.

Seit er 2014 sein neues Amt als Staatspräsident angetreten und die Justiz immer stärker unter seine Kontrolle gebracht hat, geht er mit einer weiteren Waffe gegen seine Kritiker vor: „Beleidigung des Staatspräsidenten“.

100.000 Ermittlungsverfahren wurden von August 2014 bis zum März dieses Jahres eingeleitet; in über 30.000 Fällen kam es zu Gerichtsverfahren, die oft mit Geld- oder gar Haftstrafen endeten. Mit seinen Maßnahmen hat sich Erdoğan zum dünnhäutigsten türkischen Politiker seit Sultan Abdülhamid II. (Sultan von 1876 bis 1909) gemausert.

Nasen-Zensur

Abdülhamid II. hielt es nicht aus, wenn sich Satiriker über seine Nase lustig machten, ließ gar das Wort „Nase“ zensieren. Ein idealer Nährboden für Satire, die sich rasch weiterentwickelte.

Nach dem Militärputsch 1971 erlangte das ein Jahr später ins Leben gerufene Magazin Gırgır einen hohen Bekanntheitsgrad durch bissige Karikaturen und Satire gegen die Regierung. Anfang der Achtziger verkaufte Gırgır eine halbe Million Exemplare pro Woche. Die Satire florierte, Politiker wie der konservative Staatspräsident Turgut Özal rahmten sich gar Karikaturen ein.

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