Dubrovnik: Eine Stadt bangt um ihr Kulturerbe

Dubrovnik: Eine Stadt bangt um ihr Kulturerbe
Der Touristenansturm wurde heuer noch größer, Bürgermeister will Besucherzahlen weiter begrenzen.

„Old town“, ruft Busfahrer Ivo laut und vernehmlich ins Mikro. „Old town“. Obwohl man die mächtigen Stadtmauern von Dubrovnik nicht übersehen kann. „Doch“, sagt Ivo. „kann man. Wenn man immer nur auf sein Smartphone starrt, schon. Old town“. Die Mehrheit bleibt sitzen und bringt den Selfie-Stick in Stellung. Einige, sagt Ivo, würden mit ihm schon die zweite oder dritte Runde drehen.

Wut auf Touristen

Die Citybusse bieten kostenloses WLAN, schnell genug, um die sozialen Medien mit Selbstporträts zu fluten. Nichts ist zu banal, um geteilt zu werden. Die Botschaft: Jetzt hat Dubrovnik auch mich erlebt. Mütter mit Kleinstkindern und gehbehinderte Senioren dürfen mitlesen. Stehend: Mit hochgelegtem Fahrgestell auf dem Sitz gegenüber chattet es sich besser, Primaten hätten mehr soziale Kompetenz, glaubt Ivo, der meist nur im Schritttempo fährt.

1.200 Taxis – für Uber ist ein weiteres Tausend unterwegs – jede Menge Reisebusse und Lieferanten quälen sich durch die steilen, kurvenreichen Straßen. Ivo und Kollegen müssen daher zum Ein- und Aussteigenlassen auf der meist einspurigen Fahrbahn halten. Die Folge: Staus, die sich erst nach Stunden auflösen. „Früher“, sagt Ivo, „durften Liefer- und Versorgungsfahrzeuge nur bis sieben Uhr morgens unterwegs sein. Und Strafen bei Zuwiderhandlung wurden nicht nur angedroht, sondern auch vollstreckt.“ Cabrio-Busse, die seit kurzem Fußlahmen Sightseeing ermöglichen, und Shuttle-Service zwischen Hafen und Altstadt, verstärken das Chaos. Sie fahren halb leer. „Die kosten mehr als ich“, sagt Ivo. „Und sie haben kein WLAN“.

Dubrovniks Infrastruktur ist mit dem Massentourismus hoffnungslos überfordert. Zwar setzte die Stadt, weil Entzug des Weltkulturerbe-Status drohte, dem Kreuzfahrt-Wahnsinn 2017 Grenzen. Maximal 6.000 Tagesgäste. Damit, lobt Blaž Pezo, der Direktor der Hafenverwaltung sich und die Seinen, sie die von der UNESCO geforderte Obergrenze von 8.000 „Eintagsfliegen“ deutlich unterboten.

Dubrovniks Bürgermeister, Mato Frankovic, will für 2020 eine Obergrenze von 4000 Schiffstouristen gleichzeitig einführen.

Noch mehr Touristen

Was er nicht sagt: Die Traumschiffe gehen jetzt in Kotor im benachbarten Montenegro vor Anker. Von dort werden die Passagiere mit Bussen zu Tagesausflügen in das nur zweieinhalb Fahrstunden entfernte Dubrovnik gekarrt. Im ersten Halbjahr 2019 schoben sich daher nicht weniger, sondern mehr Besucher durch die engen Gassen der Altstadt: 23 Prozent laut offizieller Statistik. Vor den sehr spezifischen Ansprüchen dieser Klientel ist die „Perle der Adria“ mehr oder minder ruhmlos eingeknickt.

Auf dem Stradun – Hauptstraße und nur knapp 400 Meter lang – und in den Nebenstraßen stehen 42 Geldautomaten. Beim Einbau wurden oft sogar die denkmalgeschützten Fensterläden aus dunkelgrünem Holz entfernt. Zwar zog die Stadt im Juni die Reißleine. Binnen eines Monats sollten die Kästen aus dem historischen Stadtkern verschwinden. Bisher deutet nichts auf Vollzug hin: Die Betreiber können beim kroatischen Kultusministerium Ausnahmegenehmigungen erwirken. „Da gibt es viel Verhandlungsspielraum“, fürchtet ein Denkmalspfleger.

Dubrovnik: Eine Stadt bangt um ihr Kulturerbe

Hostels boomen

Inflationär verbreitet sind in der Altstadt auch Eisdielen, Fastfood-Lokale, Gummibärchen-Shops, Souvenirläden mit Tand aus Fernost, Mojito-Bars und allem, was der postmoderne Globetrotter sonst noch so zum Überleben braucht. Dubravka Šimunovic hat ihren Laden mit eigenen Stickereien schon vor ein paar Jahren aufgegeben. Die Familie verdient ihr Geld jetzt mit einem Hostel. Vor ein paar Jahren kannten die Dubrovniker noch nicht einmal das Wort. Inzwischen gibt es fast ein Dutzend dieser Budget-Gemeinschaftsunterkünfte.

Auch in seinen Schlafsälen hängen „Respect the

city“- Tafeln mit Geboten, erlassen von der Stadt gegen die allgemeine Verluderung der Sitten. Gegen Bikinis und Bierdosen in Bethäusern oder Wäschetrocknen auf den Stadtmauern. Mehrsprachig und mit Piktogrammen für Bildungsferne.

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