Das wäre alles andere als eine generelle Aufhebung des Pflichtzölibats gewesen. Aber es wurde vielfach erwartet, dass Papst Franziskus diese Empfehlung in seinem nachsynodalen Schreiben übernehmen würde.
Das hat er nun nicht getan. Und ungeachtet mancher Vermutungen kommt das doch nicht ganz überraschend: Erst kürzlich hatte Vatikan-Sprecher Matteo Bruni gemeint, die Haltung des Papstes zum Zölibat sei bekannt. Anlass war eine heftige Kontroverse um ein Buch des Kurienkardinals Robert Sarah zu diesem Thema, an dem auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. mitgewirkt hatte (auch zur Art der Mitwirkung gibt es verschiedene Sichtweisen). Das Buch wurde als gezielte Intervention zugunsten der Beibehaltung des Zölibats im Vorfeld der Veröffentlichung des Schreibens von Franziskus verstanden.
Vor diesem Hintergrund erinnerte Bruni an bereits ein Jahr zurückliegende Äußerungen des Papstes, der damals unter anderem Paul VI. (1963–1978) zustimmend mit dem Satz zitierte: „ Ich gebe lieber mein Leben, als das Zölibatsgesetz zu ändern.“
Auch in einem neuen Interviewbuch anlässlich des 100. Geburtstags von Johannes Paul II. („San Giovanni Paolo Magno“ / „Heiliger Johannes Paul der Große“) lässt Franziskus keinen Zweifel an seiner Haltung: „Ich bin überzeugt davon, dass der Zölibat ein Geschenk und eine Gnade ist und den Fußspuren von Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. folgend, fühle ich eine ganz starke Verpflichtung daran zu denken, dass der Zölibat eine entscheidende Gnade ist, die die Lateinische Kirche beschreibt.“
Freilich, und das markiert den Unterschied zwischen Franziskus und seinen Vorgängern, schließt der Papst eine Lockerung des Zölibats auch nicht explizit aus. Einmal mehr belässt er die Dinge in der Schwebe. Er habe „entschieden, nicht zu entscheiden“, meint der in Wien lehrende Theologe Jan-Heiner Tück dazu. Dieser fragt aber auch: „Bleibt wirklich alles beim Alten, nur weil Franziskus den Alarmismus mancher Theologen und Bischöfe, dass die Kirche nach der Amazonien-Synode nicht mehr so sein könne wie vorher, ins Leere laufen lässt? Vielleicht hält er die Zeit für eine Entscheidung noch nicht gekommen.“
Ähnlich argumentiert auch der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn: „Im Blick auf mögliche Ausweitungen der Ausnahmeregelungen zum Zölibat hat die Amazoniensynode eine Tür geöffnet, der Papst hat sie offensichtlich nicht wieder geschlossen.“
Globalisierungskritik
Nie geöffnet waren die Türen indes in der Frage der Weihe für Frauen – und daran wird auch dieser Papst nichts ändern, so sehr er immer wieder die Bedeutung der Frauen in der und für die Kirche herausstreicht. Aber auch in diesem Schreiben ist nur die Rede von „Aufgaben und auch kirchlichen Diensten […], die nicht die heiligen Weihen erfordern“.
Auf deutlich breitere Zustimmung dürften jene Passagen des Schreibens stoßen, die sich den – auch bei der Synode zentralen – ökologischen und ökonomischen Fragen widmen. Hier dominiert jener kapitalismus- und globalisierungskritische Ton, welcher auch bei der Kirche fern Stehenden vielfach nachgerade euphorisch rezipiert wird. Aber auch solch geteilte Wahrnehmung gehört zu diesem Pontifikat.
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