Coronavirus: WHO trotz Gesundheitsnotstand gegen Reiseverbote

Coronavirus: WHO trotz Gesundheitsnotstand gegen Reiseverbote
Weltgesundheitsbehörde WHO sieht "beispiellosen Ausbruch". Zahl der Infektionen stellt bereits Sars von 2002 in den Schatten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ ausgerufen. Der Grund ist die rasante Zunahme von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus. Damit sind konkrete Empfehlungen an Staaten verbunden, um die Ausbreitung über Grenzen hinweg möglichst einzudämmen.

Tedros sieht ethische und soziale Sicherheitsfragen

Tedros Adhanom Ghebreyesus

"Ein beispielloser Ausbruch"

Das davor unbekannte Pathogen habe sich in den vergangenen Wochen rasant verbreitet. "Das ist zu einem beispiellosen Ausbruch eskaliert, dem allerdings auch auf nie da gewesene Art begegnet wurde", sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Generaldirektor der Behörde.

Der Schritt sei nicht etwa wegen der Ausbreitung in China, sondern wegen der internationalen Fälle erfolgt: "Es gibt jetzt 98 Fälle mit dem Virus in 18 Ländern außerhalb Chinas. Darunter sind acht Fälle von Mensch-zu-Mensch-Übertragungen in vier Ländern, nämlich Deutschland, Japan, Vietnam und USA." Die Mehrzahl der Infektionen außerhalb Chinas stehe allerdings in Zusammenhang mit Reisen aus Wuhan.

Der Schritt der WHO sei nicht als Kritik an China zu verstehen, betonte Tedros. Im Gegenteil: Die Volksrepublik habe den Ausbruch bemerkenswert rasch erkannt, analysiert und der Behörde mitgeteilt.

Bisher habe es außerhalb Chinas noch keine Todesfälle gegeben. "Wir wissen aber nicht, welchen Schaden das Virus anrichten könnte, wenn es sich in einem Land mit einem schwachen Gesundheitssystem verbreitet", warnte Tedros.

Dramatischer als Sars 2002

Das Virus, das vorübergehend den Namen 2019-nCoV erhielt, erweist sich somit als dramatischer als die Sars-Pandemie von 2002/2003. Damals hatte China viel internationale Kritik auf sich gezogen, weil es wochenlang versucht hatte, den Ausbruch zu vertuschen und selbst in den Griff zu kriegen.

Die WHO nannte am Donnerstagabend die Zahl von 7.834 bestätigten Coronavirus-Infektionen. Davon sind 7.736 in China, wo bisher 212 Menschen ihr Leben verloren haben.

WHO-Direktor Tedros betonte allerdings, dass kein Grund bestehe, den internationalen Reiseverkehr und Handel "unnötig zu beschränken". Die WHO empfiehlt ausdrücklich nicht, den Handel und Reisen einzuschränken. Die Entscheidungen der Staaten zur Eindämmung der Viren-Verbreitung sollten auf Fakten basieren, die WHO stehe mit Rat und Tat zur Seite.

Wichtig sei es nun, die Entwicklung von Impfstoffen, Behandlungen und diagnostischen Verfahren zu koordinieren und zu beschleunigen. Wichtig sei es aber auch, die Verbreitung von Gerüchten und Fehlinformationen zu bekämpfen: "Jetzt sind Wissenschaftler gefragt, nicht Angstmacher." 

Die vorbereiteten Notfallpläne sollten überarbeitet, Lücken festgestellt und nötige Ressourcen bewertet werden, um jeden Infektionsfall isolieren zu können. Tedros rief die Staaten zu Solidarität auf: "Wir sind alle betroffen, wir können es nur gemeinsam stoppen."

In der Vergangenheit wurde der internationale Gesundheitsnotstand nur selten ausgerufen. Zuletzt im Vorjahr im Zuge des grassierenden Ebolafiebers im Kongo.

In allen chinesischen Provinzen

An dem Schweren Akuten Atemwegssyndrom (Sars) waren 2002/2003 nach Auskunft der Weltgesundheitsorganisation 8096 Menschen erkrankt und 774 gestorben. Durch das neue Virus, das mit dem Sars-Erreger verwandt ist, sind bisher 170 Menschen ums Leben gekommen.

Mit der ersten Erkrankung in Tibet sind nun in allen Regionen und Provinzen Chinas Infektionen nachgewiesen. Der Anstieg ist rasant. Vor zwei Wochen waren erst 40 Fälle gezählt worden. Der Höhepunkt der Epidemie wird frühestens in einer Woche erwartet.

20 Länder außerhalb Chinas betroffen

Außerhalb der Volksrepublik sind in rund 20 Ländern mehr als 100 Infektionen gezählt worden. Darunter sind neben Deutschland auch Frankreich, Thailand, Japan, Malaysia, die USA, Finnland, Australien, Südkorea, Indien und die Philippinen. Vielfach sind die Infizierten Reisende aus China, aber es kommt zu neuen Ansteckungen außerhalb des Landes.

Am Donnerstagabend kam aus Bayern die Meldung, dass ein weiterer Patient mit dem Coronavirus aus China infiziert ist. Wie bei den anderen vier deutschen Fällen handle es sich um einen Mitarbeiter des in Starnberg angesiedelten Automobilzulieferers Webasto, teilte das Gesundheitsministerium mit. Der neu Infizierte wohne im Landkreis Traunstein.

Podcast-Folge zum Coronavirus:

Erste Fälle in Italien

Und auch Italien bestätigte die ersten zwei Fälle: "Es handelt sich um zwei chinesische Touristen", sagte Regierungschef Giuseppe Conte. Sie würden in einem Krankenhaus in Rom behandelt und seien in "gutem Gesundheitszustand". Das Hotelzimmer, in dem die Touristen übernachtet hatten, sei versiegelt worden. 

In Österreich bestätigte sich bisher keiner der Verdachtsfälle.

Immer mehr Ländern fliegen ihre Staatsbürger aus der betroffenen Region aus - oder planen das. Dazu gehören neben Deutschland, das eine Rückholaktion plant, unter anderem Belgien, Großbritannien, Japan, Kanada und Ägypten.

Krankenlager in Schnellbauweise

In China sagten die Behörden immer mehr Veranstaltungen ab, um Ansammlungen von Menschen zu verhindern. Chinas Fußballverband CFA kündigte am Donnerstag an, die Fußball-Saison des Landes vorerst zu verschieben. So sollen die Gesundheit der Fans und Spieler geschützt werden.

Die Krankenhäuser in der schwer betroffenen Provinz Hubei leiden an einem Mangel an Material. Wie der Sprecher der Gesundheitskommission, Mi Feng, vor der Presse in Peking sagte, seien die Produktionskapazitäten hochgefahren worden. Auch seien Maßnahmen ergriffen worden, um den Transport nach Hubei zu beschleunigen. Die Behörden in Wuhan bauen zwei Krankenlager in Schnellbauweise, um Patienten zentral unterzubringen. Eins soll nächste Woche fertig werden, das andere wenig später.

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