Coronavirus in Bayern: Erste Mensch-zu-Mensch-Ansteckung in Europa

China researchers prepares coronavirus 2019-nCoV detection reagents
Der Patient befindet sich in gutem Zustand. Laut deutschen Behörden soll sich der Mann während der Zusammenarbeit mit einer Kollegin aus China angesteckt haben.

In Deutschland soll es zur ersten Ansteckung von Mensch zu Mensch in Europa mit dem Coronavirus gekommen sein. Alle bisher infizierten Personen in Europa hatten sich ursprünglich in China angesteckt. 

In der Nacht auf Dienstag ist nun zum ersten Mal von einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus in Deutschland berichtet worden. Ein 33-jähriger Mann aus dem Landkreis Starnberg in Bayern habe sich infiziert, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in München am späten Montagabend mit. Der Patient befinde sich klinisch in einem guten Zustand. "Er wird medizinisch überwacht und ist isoliert." Der Landkreis ist rund 80 Kilometer von Österreich entfernt. Der Infizierte soll im Münchner Klinikum Schwabing liegen. 

Die deutschen Behörden klärten bei einer Pressekonferenz Dienstagvormittag über den genauen Hergang der Ansteckung auf. Demnach soll sich der Mann im Zuge einer Schulung bei der Firma Webasto im Landkreis Starnberg in Oberbayern bei einer Chinesin angesteckt haben. Die Frau und der deutsche Mitarbeiter hätten im Rahmen der Fortbildung in einer kleinen Gruppe zusammengearbeitet. Die Ansteckung habe "in einem Intervall, in dem die Chinesin noch symptomfrei war" stattgefunden, sagte der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf. Die Frau soll wieder nach China gereist sein.

Erster Fall des neuen Coronavirus in Deutschland

Erste Ansteckung von Mensch zu Mensch in Europa

Besonders an dem Fall in Bayern ist, dass damit wohl erstmals weltweit eine Ansteckung zwischen nicht eng Verwandten in einem Land außerhalb Chinas nachgewiesen wurde. Bisher handelte es sich bei fast allen der rund 50 erfassten Infektionen in Frankreich, den USA, Thailand und anderen asiatischen Ländern um importierte Fälle. Die Betroffenen hatten sich bei einer Reise nach China infiziert. Lediglich ganz vereinzelte Fälle von Ansteckungen zwischen engen Familienangehörigen wurden bekannt, aber keine Übertragungen etwa auf Klinikpersonal, Arbeitskollegen oder Zufallskontakte.

In Europa waren zuvor drei Infektionen mit dem neuartigen Virus nachgewiesen worden. Alle drei betrafen Menschen in Frankreich, die zuvor in China gewesen waren.

Ab sofort werden einmal täglich, um 10:00, auf der Website des Sozialministeriums die aktuellen Verdachtsfälle auf Coronavirus in Österreich veröffentlicht. Aktuell ist ein Fall bundesweit, in Kärnten, in Abklärung.

Eine Coronavirus Hotline bietet die AGES, Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, unter der Telefonnummer 0800 555 621, von Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr.
 

40 Kontaktpersonen werden überprüft

Die bayerischen Behörden prüfen nun 40 Kontaktpersonen in der Firma und der Familie der infizierten Person. Das sagte der Leiter der Taskforce Infektiologie, Martin Hoch, am Dienstag in München. "Die Zahl kann noch steigen."

Die Firma Webasto kündigte für den Vormittag eine Stellungnahme an. Webasto ist ein großer Zulieferer für die Autoindustrie mit 13.400 Mitarbeitern und einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2018. Weltweit hat das Unternehmen aus dem oberbayerischen Stockdorf mehr als 50 Standorte.

Der deutsche Ministeriumssprecher betonte noch Montagabend: "Das Risiko für die Bevölkerung in Bayern, sich mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren, wird von der "Task Force Infektiologie" des LGL und vom Robert Koch-Institut (RKI) derzeit als gering erachtet."

In Österreich gab es bis Dienstagmorgen drei Verdachtsfälle, zwei in Wien und einen in Kärnten. Die beiden Verdachtsfälle in Wien haben sich nicht bestätigt, wie Dienstagfrüh bekannt wurde. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte am Montagabend nach einer Sitzung des Einsatzstabs im Innenministeriums, die Ankunft des Virus in Europa sei "kein Grund für Panik". Österreich könne "nicht besser vorbereitet sein", betonte er.

Statements zur weiteren Vorgehensweise zum Thema Coronavirus

Die Zahl der Todesopfer durch das neuartige Coronavirus in China ist erneut sprunghaft gestiegen. Sie wuchs um weitere 24 Fälle auf mindestens 106 Verstorbene an, wie die chinesische Regierung am Dienstag mitteilte. Allein in der Provinz Hubei kamen demnach 100 Menschen ums Leben.

In ganz China wurden 1291 neue Fälle von Erkrankungen durch den Erreger verzeichnet, womit die offizielle Gesamtzahl der Krankheitsfälle in der Volksrepublik auf mehr als 4000 stieg. In der hauptbetroffenen Provinz Hubei wurden 2.714 Fälle gezählt.

 

Öffentlicher Verkehr in Tangshan eingestellt

Die chinesischen Behörden griffen wegen der Ausbreitung zu drastischen Maßnahmen. Nachdem die hauptbetroffene Provinz Hubei bereits seit dem Wochenende praktisch von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es auch in der Provinz Hebei bei Peking Restriktionen. So wurde am Dienstag der komplette öffentliche Verkehr in der von zwei Millionen Menschen bewohnten Stadt Tangshan eingestellt. Zudem wurde der Fernverkehr zwischen Peking und der Provinz Hebei weitgehend stillgelegt.

Das US-Außenministerium riet seinen Bürgern von Reisen nach China ab. Bereits geplante Reisen sollten erneut auf den Prüfstand gestellt werden, erklärte das Ministerium am Montag. China könnte zu einem späteren Zeitpunkt auch Ausreisesperren für US-Bürger verhängen, warnte das Ministerium. Für die besonders von dem Ausbruch des Coronavirus betroffene Provinz Hubei und die Stadt Wuhan warnte das Ministerium ausdrücklich vor jeglichen Reisen. Auch Kanada riet seinen Bürgern von allen Reisen in die Provinz ab und nannte die Auferlegung von massiven Reisebeschränkungen als Begründung.

Ministerium rät von Reisen in die Provinz Hubei ab

Das österreichische Außenministerium sieht indes weiterhin einen "guten Sicherheitsstandard" (Stufe 1) für Reisen nach China und warnt lediglich vor Kleinkriminalität. Hingegen wird seit Freitag vor Reisen in die Provinz Hubei abgeraten, wo aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus ein "hohes Sicherheitsrisiko" (Stufe 3) bestehe. "Von nicht notwendigen Reisen wird abgeraten", heißt es in den Reisehinweisen des Außenministeriums.

Wie das Außenamt am Montag mitteilte, befinden sich zwei Österreicher in Hubei. Sie wollten nach Österreich zurück und würden von der Botschaft in Peking bei ihrem Ausreisewunsch unterstützt. Die deutsche Regierung bereitete indes die Evakuierung von rund 90 Deutschen vor, die in Wuhan festsitzen. Sie sollten laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" von der Luftwaffe ausgeflogen werden.

Hausarrest für Wuhan-Rückkehrer in Großbritannien

In Großbritannien hat die Gesundheitsbehörde Public Health England mitgeteilt, dass britische Rückkehrer aus der chinesischen Metropole Wuhan 14 Tage lang ihre Wohnung nicht verlassen sollen - auch wenn sie keine Symptome einer Infektion mit dem neuen Coronavirus zeigen. Die Betroffenen sollten vorsichtshalber nicht zur Arbeit oder Schule gehen und keine öffentlichen Verkehrsmittel und Taxen nutzen.

Experten suchen etwa 2.000 Menschen, die seit Ausbruch der Lungenkrankheit aus der chinesischen Region nach Großbritannien geflogen sind. Noch sind zwar keine Infektionen nachgewiesen worden, doch gelten Ansteckungen als wahrscheinlich.

Verkehrsminister Grant Shapps berichtete am Dienstag dem Sender BBC, dass man weiter an Plänen arbeite, Briten aus Wuhan herauszuholen. Sie sollten sich beim Konsulat melden. Die britischen Behörden gehen von etwa 200 Landsleuten aus, die nach Großbritannien zurückwollen.

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