Doch es mangelt nicht nur an Betten, sondern auch an Medikamenten und vor allem Sauerstoff. In den Medien häufen sich die Berichte verzweifelter Angehöriger, die von Ärzten gebeten wurden, selbst Dosen des antiviralen Mittels Remdesivir oder Kartuschen mit Sauerstoff zu besorgen. Meist bleibt dafür nur der Schwarzmarkt, wo horrende Preise verlangt werden.
Selbst wenn die indische Armee nun ihre Sauerstoffreserven angezapft hat und internationale Hilfe anrollt, rechnen Experten mit einer Besserung der Lage frühestens Mitte Mai.
Seit Beginn der Pandemie gab es im 1,3 Milliarden-Einwohner-Land offiziell 18 Millionen Infektionen und 200.000 Todesopfer – die Dunkelziffer dürfte in beiden Fällen weit höher sein. In Indien wird immer noch unzureichend getestet und als Corona-Toter zählt nur, wer wegen seiner Infektion im Spital behandelt wurde. Menschen, die darauf keine Chance hatten und zuhause starben, werden nicht registriert.
Dass es mehr Corona-Tote gebe als gemeldet, sieht man laut dem Experten Rimmele auch an den festgestellten Verbrennungen im Vergleich zu den offiziellen Todeszahlen. „Rund um die Menschen ist der Tod“, fasst Franklin Jones die Lage zusammen.
Dass die Lage so dramatisch werden konnte, hat mehrere Gründe. Einer ist die starke Verbreitung einer im Jänner aufgetauchten Doppelmutation. „Die Krankheit verbreitet sich dadurch viel schneller“, ist Jones überzeugt. In der aktuellen Welle würden Infizierte anders als früher stets ihre ganze Familie anstecken.
Soziale Distanz ist unmöglich
Das ist auch bedingt durch den zweiten Grund für die hohen Infektionszahlen: die Lebensumstände von Hunderten Millionen Indern. Familien leben auf engem Raum zusammen, Junge und Alte, Gesunde und Kranke.
In Slums ist soziale Distanz unmöglich; ebenso Home-Office. Wer seinen Lebensunterhalt als Taglöhner, Landarbeiter oder Teeverkäufer verdient, muss sein Zuhause notgedrungen verlassen.
Zwar gab und gibt es in Indien auch Lockdowns. Doch wie auch im Rest der Welt war in den vergangenen Monaten eine große Corona-Müdigkeit zu spüren, befördert von Premier Narendra Modi, der den Kampf gegen Corona kurz vor Ausbruch der aktuellen Krise für beendet erklärt hatte.
Auf Wahlveranstaltungen seiner Partei, bei Cricketspielen und beim noch bis Freitag dauernden hinduistischen Fest Kumbh Mela tummelten sich Tausende bis Hunderttausende Menschen – und trugen das Virus in alle Landesteile weiter.
Impf-Wettlauf gegen die Zeit
Gegen das Coronavirus geimpft sind bisher knapp 10 Prozent der Einwohner, die meisten erhielten allerdings erst eine Dosis des Vakzins.
Das Land ist einer der weltweit größten Pharma-Hersteller, exportierte den Großteil der Vakzine aber bisher entsprechend internationaler Verträge. Nun will man das Impfprogramm deutlich intensivieren: Seit Mittwoch können sich alle Inder über 18 Jahren für einen Termin anmelden. Die Frage ist nur, wann es den nötigen Impfstoff dafür geben wird.
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