"Ein Ausbruch wäre eine Katastrophe für ganz Europa"

Robert Supper, Bereichsdirektor für Geophysik bei Geosphere Austria war selbst schon als Forscher bei den Phlegräischen Feldern ganz in der Nähe von Neapel. Sie sorgten in den vergangenen Wochen für Angst. Waren die Erdbeben Vorboten für einen Ausbruch?
KURIER: Nach den Erdbeben der vergangenen Tage fürchten die Menschen in Neapel einen Ausbruch der Phlegräischen Felder, der Campi Flegrei. Wird es dazu kommen?
Robert Supper: Es ist ein Vulkan, der wieder vermehrte Aktivität zeigt. Wenn ein Vulkan aktiver wird, ist das ein Zeichen, dass ich im Untergrund etwas tut, der Vulkan von einem stabilen in einen instabilen Zustand wechselt. Die Wahrscheinlichkeit für einen Ausbruch wird natürlich höher.
Welche Szenarien gibt es?
Eines ist, dass sich das Ganze noch etwas aufschaukelt. Dass mehr Erdbeben kommen, sich die Situation aber dann wieder beruhigt. Das Extrem-Szenario ist, dass es ein größeres Erdbeben gibt und mehr Magma nachkommt und dann der Vulkan – in unterschiedlicher Größenordnung – ausbricht. Das hätte natürlich extrem große Konsequenzen.
Wie ist die Situation jetzt?
Die Erdkruste ist relativ dünn. Die Erdbeben derzeit wurden in ca. 2 Kilometer Tiefe lokalisiert. Dort entstehen Brüche. Die Erdoberfläche hebt und senkt sich. Jetzt haben wir laut Medienberichten Hebungsraten von 2,5 Zentimetern pro Monat, die sich aber beschleunigen, was Auswirkungen auf die Bauwerke, aber auch die Bevölkerung hat. Erdbeben sorgen für Panik.

Robert Supper
... und die Region Neapel ist dicht besiedelt.
Schon wenn alle am Wochenende an die Küste fahren, sind die Straßen verstopft. Wenn das Gerücht auftreten sollte, in zwei Stunden bricht der Vulkan aus, kommt es alleine durch die Panik, wahrscheinlich zu Toten und Verletzten. Ich bin mit dem Hubschrauber über das Gebiet geflogen. Das sieht man nur Häuser und das ist natürlich auch ein Problem für gewisse Messmethoden. Es gibt sehr viele technische Störungen.
Wie lauten die Beurteilungen der Experten vor Ort?
Auch italienischen Vulkanologen sind sich nicht einig, was sich in Zukunft abspielen wird. Wie gesagt, es gibt mehrere Szenarien. Es müsste von unten weitere Magma nachkommen. Ob das geschieht, weiß man nicht. Es ist sehr schwierig abzuwägen – evakuieren, oder nicht evakuieren. Der Zivilschutz hat die Aufgabe, zwischen wissenschaftlichen Fakten und gesellschaftspolitischen Auswirkungen abzuwägen.
Von einer Warnung bis zum Ausbruch – wie viel Zeit bleibt den Menschen?
Es kann sich um Stunden oder Tage handeln bis etwas passiert. Man hat am Beispiel von La Palma (Anm. Ausbruch 2021) gesehen, dass es schnell gehen kann. In manchen Fällen z. B. Vulcano hat es auch schon Jahre gedauert.
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Warum spricht man von einem Supervulkan?
Weil man von früher weiß, dass es eine riesige Caldera ist, die in der Größe wieder ausbrechen kann. Campi Flegrei ist nur ein Teil davon. Es geht bis Ischia und weiter. Es ist komplex. Der Vesuv ist etwa in der Nähe. Die Wissenschaftler streiten, wie weit die Systeme zusammenhängen. Von einem Supervulkan sprechen wir auch, weil die Effekte sehr stark zerstörend wirken können.

Ausbruch auf La Palma
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Phlegräischen Felder als Supervulkan ausbrechen?
Campi Flegrei sind in historischer Zeit einige Male eruptiert – auch als Nicht-Supervulkan. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Supervulkan ausbricht, ist sehr gering. Es ist die Wahrscheinlichkeit schon relativ gering, dass eine Eruption stattfindet. Alleine diese wäre eine Katastrophe – wahrscheinlich für ganz Europa.
Was wären die Auswirkung auf Europa?
Das hängt von der Größe der Eruption ab. Wenn sie klein ist, gibt es Hunderttausende Menschen, die untergebracht werden müssen. Bei einer größeren haben wir Staub und Asche in der Atmosphäre. Was den Klimawandel entgegenwirken würde. Sie würde Europa im schlimmsten Fall einen Sommer ohne Sonne bescheren.
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