Der gefährliche Supervulkan in Italien

Der gefährliche Supervulkan in Italien
Die Angst vor einem Ausbruch bei den Bürgern ist groß. Seit Wochen sorgt der Vulkan Campi Flegrei mit Erdbeben für schlaflose Nächte.

von Katharina Salzer und Andrea Affaticati

Seit dem 27. September rumort und zittert es in den Campi Flegrei, den Phlegräischen Feldern, bei Neapel. Wobei, nur schnell angemerkt, der aus dem Altgriechisch stammende Begriff phlegräisch passt, er weist auf Feuer und Flammen hin. Das Wort Felder aber irreführend ist, weil es sich hier um einen Vulkan, nicht weit vom Vesuv, handelt. Viele verwenden den Begriff Supervulkan für die Campi Flegrei. Ein Ausbruch könnte verheerend sein.

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Doch während es unter der Erde brodelt, fühlen sich die Menschen, die in den Gemeinden der sogenannten roten Zone, also in unmittelbarer Nähe des Vulkans leben, zunehmend der Naturgewalt ausgesetzt. Besonders schlimm hat es sie alle am 2. Oktober um 22 Uhr getroffen, als die Erde mit einer Magnitude von 4.00 unter ihren Füßen erschütterte. Seitdem gibt es noch Menschen, die weiter im Auto schlafen.

Der gefährliche Supervulkan in Italien

Nur für wie lange? In einem Radiointerview vor ein paar Tagen erklärte Carlo Doglioni, Präsident des Vulkan Monitoring Zentrums Osservatorio Vesuviano di Geofisica e Vulcanologia: „Die bradyseismischen Bewegungen (langsame Bodendeformationen, Anm.) sind schon seit 15 Jahren im Gang. Neu ist die Geschwindigkeit. Jetzt hebt sich die Erde in einem Monat um 1,5 Zentimeter hinauf und hinunter.“

Der gefährliche Supervulkan in Italien

Der Blick auf den nahen Vesuv

Das mag auch so sein, die Einwohner die vor laufenden Kameras sprechen sind trotzdem stark verstört. „Wann können wir wieder ohne Angst schlafen gehen?“, fragt ein Mann, während ein anderer auf die Frage, wie lange er noch mit seiner Frau im Auto nächtigen wird, keine Antwort weiß. Und es nützt anscheinen herzlich wenig, dass die Bürgermeister tagtäglich versichern, jeder einzelnen Meldung nachzugehen und die Stabilität der Gebäude zu überprüfen. „Freilich“ hob der Bürgermeister der Gemeinde Bacoli hervor: „Mit nur vier dafür zuständige Beamten, ist das kein leichtes Unterfangen.“

Trotz des Schreckens, den das Beben vom 2. Oktober eingejagt hat, stimmt ein Großteil der Wissenschaftler mit der Feststellung überein, dass es sich im Fall der Campi Flegrei nicht um tektonische Verschiebungen handelt, weswegen es höchst unwahrscheinlich sei, dass die Magnitude der Beben hier die Stärke von 4.5 der Richterskala übersteige.

„Ohne Vorwarnung“

Die neapolitanische Universitätsprofessorin für Geologie Micla Pennetta kann mit dieser Feststellung aber herzlich wenig anfangen. „Wäre dort mein Zuhause, würde ich sofort die Koffer packen“, sagt sie dem KURIER. „Es stimmt, seit Jahren sind diese unterirdischen Bewegungen im Gang, nur es gibt nichts, womit man vorhersehen kann, ob und wann der Vulkan explodiert. Das geschieht nämlich von einem Moment auf den anderen ohne Vorwarnung.“

Der Vulkan Campi Flegrei zähle zu den gefährlichsten in der Welt, fügt die Akademikerin hinzu. Aus der Luft sind Explosionskrater zu sehen, es gibt Fumarole – Dampfaustrittsstellen. Nichtsdestotrotz leben in seiner unmittelbaren Nähe an die 600.000 Menschen. Und noch viel mehr wären von einem Ausbruch betroffen. Die Metropolitanstadt Neapel zählt fast drei Millionen Einwohner.

Der gefährliche Supervulkan in Italien

Professorin Pennetta erzählt von einem persönlichen Erlebnis. Auch Anfang der 1980er-Jahre war es zu intensiveren Vulkanaktivitäten gekommen. „Ich war damals noch Studentin und habe an zwei ozeanografischen Einsätzen in der Bucht von Pozzuoli, der Vulkan erstreckt sich bis in das Meer, teilgenommen“, sagt sie. „Als wir an Land gingen, kam es uns vor, als würden wir Gespensterorte durchqueren. Damals waren die Bewohner nämlich evakuiert worden.“ Warum das heute nicht geschehe, könne sie sich nicht erklären. Die offizielle Stellungnahme der Nationalen Kommission zur Vorausschau und Prävention großer Risiken lautet dazu, der Zivilschutz habe alle nötigen Untersuchungen, Kontrollen und Erhebungen durchgeführt, ohne einen zwingenden „Grund zu finden, die jetzige Alarmstufe gelb zu ändern“. Die Kommission weist aber gleichzeitig darauf hin, dass „sich diese Vorkommnisse in Zukunft wiederholen werden“.

Evakuierungsplan

Am Freitag wurde bekannt, dass sich die italienische Regierung mit möglichen Massenevakuierungen auseinandersetzt. „Im Falle einer extremen Notwendigkeit“. Das Kabinett will den lokalen Katastrophenschutzbehörden mehr Mittel zur Verfügung stellen und eine Kommunikationskampagne finanzieren, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auch ein Plan zur Überprüfung von Gebäuden soll folgen. Einen Evakuierungsplan gibt es, doch dieser soll laut Medien, nur bei höchster Alarmstufe, sprich bei einem Vulkanausbruch eingesetzt werden. Die Bewohner der 15 Gemeinden innerhalb der roten Zone hätten dann theoretisch 72 Stunden Zeit ihr Zuhause zu verlassen. Verteilen würde man sie auf ihre Partnerschaftsgemeinden in Italien.

So weit ist es aber noch nicht. Dafür hat der Bürgermeister von Pozzuoli für den 9. und den 10. Oktober für seine Mitbürger psychologische Beratung, natürlich gratis, organisiert.

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