Brückeneinsturz: EU weist Vorwürfe Salvinis zurück

Brückeneinsturz: EU weist Vorwürfe Salvinis zurück
Salvini hatte einen Zusammenhang mit den strengen europäischen Defizitregeln hergestellt. Die Bergungsarbeiten gehen weiter.

Die Morandi-Brücke war die wichtigste Verkehrsverbindung Genuas und verband die Stadt unter anderem mit Südfrankreich. Der Zugang zu der Stadt und auch die Verbindung zum Hafen sind nach dem Unglück am Dienstag gekappt. Rettungs- und Aufräumarbeiten behindern zusätzlich den Verkehr. Bereits zwei Tage später haben sowohl Wirtschaft, als auch Tourismus schwere Einbußen hinnehmen müssen. Zehntausende Arbeitsplätze in der norditalienischen Stadt sind gefährdet.

Die Regierung hatte am Mittwoch den Notstand für die Hafenstadt verhängt und fünf Millionen Euro Nothilfe bereit gestellt. Das Dekret soll ermöglichen, „erste wichtige Maßnahmen zu treffen, um dem Ausnahmezustand zu begegnen“, erklärte Conte. Dazu gehöre, schnellstmöglich die Sicherheit in der betroffenen Region der Stadt zu garantieren und Betroffenen zu helfen. Der Notstand soll zwölf Monate gelten und in diesem Zuge auch ein Sonderbeauftragter für den Wiederaufbau benannt werden.

Brückeneinsturz: EU weist Vorwürfe Salvinis zurück

300 Familien auf der Straße

Unterdessen präzisierte die Polizei die Zahl der Todesopfer auf 38 - zuvor war von 39 Toten die Rede. Rettungskräfte versuchten am Donnerstag immer noch, Überlebende zu finden. Die Chancen dafür schwinden aber minütlich. „Die Helfer haben natürlich noch die Hoffnung, einige Überlebende zu finden, aber je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger ist das“, sagte der örtliche Polizeikommandeur Riccardo Sciuto der Nachrichtenagentur AFP. 16 Menschen wurden verletzt, neun davon schweben immer noch in Lebensgefahr. Es gibt noch mehrere Vermisste. Unter den Toten sind drei Kinder im Alter zwischen acht und 13 Jahren sowie vier junge Franzosen, drei Chilenen und ein Kolumbianer.

Die Brücke auf der Autobahn überspannte einen Fluss, ein Gewerbegebiet und eine Eisenbahn. Auch Wohnungen befinden sich in dem Gebiet. 331 Familien, mehr als 600 Menschen, stehen mittlerweile auf der Straße. Denn die Häuser, in denen sich ihre Wohnungen befanden, müssen - ebenso wie die herabgestürzten Brückenpfeiler - abgetragen werden. „Bis Ende dieses Jahres werden wir all diesen 634 in Sicherheit gebrachten Genuesen ein neues Zuhause geben“, versprach Innenminister Matteo Salvini.

Nach dem Brückeneinsturz in Genua hat Italiens Vize-Ministerpräsident Luigi di Maio mit einer Verstaatlichung der Autobahnen gedroht. Wenn die Betreiber der Autobahnen nicht in der Lage seien, ihre Aufgabe richtig zu erfüllen, dann müsse der Staat die Autobahnen übernehmen, sagte di Maio am Donnerstag im Rundfunk.

Die Betreiber der Autobahnen hätten mehr in die Sicherheit investieren sollen als sich über die Dividenden Gedanken zu machen, sagte di Maio. Die italienische Regierung machte bereits am Vortag den Autobahn-Betreiber für den Brückeneinsturz verantwortlich und will ihm die Lizenz entziehen.

Das Unternehmen habe Milliarden Euro an Maut eingenommen, das Geld aber nicht wie vorgesehen eingesetzt, kritisierte Innenminister Matteo Salvini. Die Firma Autostrade wies den Vorwurf zurück. Die aus den 1960er-Jahren stammende Brücke sei gemäß den gesetzlichen Vorgaben alle drei Monate kontrolliert worden, erklärte das Unternehmen.

Die Autobahnbrücke war Teil eines europäischen Fernstraßennetzes und unterlag deshalb besonderen Prüf- und Sicherheitsauflagen der EU. Dies stellte die EU-Kommission am Donnerstag klar. Verantwortlich für die Umsetzung seien die italienischen Behörden.

Kommission weist Salvinis Aussagen zurück

Die Brücke ist Teil des sogenannten TEN-T-Netzes, das schnelle Verbindungen innerhalb der ganzen EU sichern soll. Die besonderen Sicherheitsvorgaben sind in einem eigenen Regelwerk festgeschrieben. "Die Sicherheit muss entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur sichergestellt, überprüft und wenn nötig verbessert werden", betonte ein Kommissionssprecher. Bei privatisierten Straßen sei der Betreiber zuständig.

Die Kommission wies abermals Aussagen des italienischen Innenministers Matteo Salvini zurück, wonach Brüsseler Sparvorgaben für die marode Infrastruktur des Landes mitverantwortlich sein könnten. EU-Staaten könnten politische Prioritäten im Rahmen der geltenden Haushaltsregeln selbst festlegen, wiederholte der Sprecher.

Auch EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat Vorwürfe aus Italien wegen der Brücken-Katastrophe von Genua zurückgewiesen. "Es ist sehr menschlich, einen Schuldigen zu suchen, wenn ein schreckliches Unglück wie in Genua passiert", schrieb der CDU-Politiker am Donnerstag auf Twitter. "Trotzdem gut, sich die Fakten anzuschauen."

ORF-Korrespondentin Katharina Wagner aus Genua

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