Innsbruck-Wahl: Von wegen bürgerliche Stadt
Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Für die ÖVP mit ihren Teilorganisationen, die etwa die Interessen von Unternehmern wie Angestellten gleichsam unter einen Hut bringen will, stellt sich diese Frage ohnehin immer. In Tirol und insbesondere in der Landeshauptstadt ist die innere Zerrissenheit seit Jahrzehnten noch weit größer.
Das spiegelt sich auch in dem Bündnis „Das neue Innsbruck“ wieder, das der am Freitag als ÖVP-Staatssekretär zurückgetretene Florian Tursky in die Gemeinderatswahlen führt. Drei bislang eigenständige Listen aus dem ÖVP-Spektrum haben sich dafür zusammengeschlossen:
Die Volkspartei selbst, der Seniorenbund, der seit 1983 am Wahlzettel stand und die – ursprünglich von oben geduldete – 1994 entstandene Abspaltung „Für Innsbruck“ (FI). Sie stellte bis zur Abwahl von Christine Oppitz-Plörer als Bürgermeisterin im Jahr 2018 die Stadtoberhäupter. Zuvor war es durchwegs die ÖVP.
Das einende Motiv brachte ÖVP-Klubobmann Christoph Appler im vergangenen Sommer auf den Punkt: „Einen bürgerlichen Bürgermeister sicherstellen.“ Also die Abwahl des grünen Stadtchefs Georg Willi, dessen Sieg man geradezu als Affront empfand in einer, nach ÖVP-Verständnis, „bürgerlichen“ Stadt.
Wenn man die Volkspartei dafür als Maßstab nimmt, dann kann davon seit den vergangenen Wahlen keine Rede mehr sein. Das nunmehrige Dreier-Bündnis kam damals auf 13 von 40 Mandaten. 2012 waren es noch 19.
Inbegriff der Zersplitterung
Als „Das neue Innsbruck“ auf den Weg gebracht wurde, lud Appler auch die Neos – im Bund als Alternative zur ÖVP entstanden – und die Liste Fritz ein, die er ebenfalls als „bürgerliche Bewegungen“ betitelte. Die wollten beide nichts von so einer Allianz wissen. Liste-Fritz-Landeschefin und nun auch Bürgermeister-Kandidatin Andrea Haselwanter-Schneider konnte ob des Angebots nur den Kopf schütteln. Immerhin ist ihre Partei der ÖVP auf Landesebene in inniger Feindschaft verbunden.
Die Liste Fritz ist Inbegriff der Zersplitterung der ÖVP. Von dieser hatte sich 2008 der damalige AK-Präsident Fritz Dinkhauser vor der Landtagswahl losgesagt und mit der nach ihm benannten Liste auf Anhieb 18,3 Prozent der Stimmen erobert. Der damit verbundene Verlust der absoluten ÖVP-Mandatsmehrheit beendete die Amtszeit von Herwig van Staa als Landeshauptmann – eines der Ziele von Dinkhauser.
Van Staa gilt wiederum als der erfolgreichste, wenn auch nicht erste, ÖVP-Abspalter in der Innsbrucker Stadtpolitik. Er knöpfte seiner Partei das Bürgermeisteramt ab und führte das von ihm gegründet „Für Innsbruck“ auf bis zu 36,3 Prozent, ehe es nach van Staas Absprung ins Landhaus für die Liste sukzessive abwärts ging.
Doppelpass Stadt–Land
Oppitz-Plörer überwarf sich als eine Nachfolgerin von van Staa wiederum zwischenzeitlich derart mit der ÖVP, dass sie für die Landtagswahl 2013 eine Partei mitbegründete, die ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter aus dem Amt hebeln sollte. Das ging schief. „Vorwärts Tirol“ schaffte es aber mit 9,5 Prozent in den Landtag, wo es zerbröselte.
Zerbröselt ist nun einmal mehr auch das bürgerliche Lager in der Landeshauptstadt. „Das neue Innsbruck“ war im Herbst noch gar nicht in trockenen Tüchern, da hatte der bis dahin als ÖVP-Vizebürgermeister amtierende Johannes Anzengruber seine Kandidatur mit einer eigenen Liste angekündigt.
Der Anspruch der Bürgerlichkeit wird indes von links bis rechts erhoben. Die ÖVP hat die FPÖ offenkundig bei der Gründung ihrer Allianz nicht als „bürgerliche Bewegung“ ausgemacht. Die Blauen sehen sich aber selbst als Teil dieses Lagers. Und der grüne Bürgermeister Georg Willi? Der stuft sich ebenfalls als Bürgerlicher ein. Und zwar „als Citoyen im Sinne der Werte der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit“.
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