Umstrittener Anton Rintelen: "Machtmensch und steirische Mafia"
Machtbesessen, skrupellos, ein Wendehals. Unruhestifter und von Ehrgeiz getriebener Taktiker. Das sind die gängigsten Beschreibungen Anton Rintelens: "Er war durchaus jener Politiker, der die Korruption im demokratischen Österreich eingeführt hat“, beschreibt der Grazer Wirtschaftswissenschafter Andreas Fraydenegg-Monzello, der mehrere Jahre lang die Geschichte des umstrittenen Politikers der Christlichsozialen Partei untersucht hat.
Einer breiteren Öffentlichkeit ist der 1876 geborene Rintelen wohl vor allem durch seine Rolle im Juliputsch der Nationalsozialisten 1934 bekannt, bei dem der autoritär regierende Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordet wurde.
". . . die Regierungsgeschäfte übernommen"
Die (illegalen) Nazis riefen Rintelen per Radiodurchsage zum Bundeskanzler aus: "Die Regierung Dollfuß ist zurückgetreten. Dr. Rintelen hat die Regierungsgeschäfte übernommen.“ Der 58-Jährige wurde wegen Teilnahme am Putsch verhaftet und zu lebenslang verurteilt, kam aber 1938 frei, als die Nazis die Macht übernahmen. Obwohl NSDAP-Mitglied spielte er im Regime keine politische Rolle mehr, er starb im Jänner 1946.
Die steirische Mafia
Doch Rintelen ist eine ambivalente Figur. In den 1920er- Jahren bot er etwa Politikern oder Journalisten in der von ihm gegründeten "Steirerbank“ besondere Konditionen an. Er war als Landeshauptmann gleichzeitig auch Bankpräsident, ein Umstand, der bereits 1926 als "steirische Mafia unter Rintelen“ bezeichnet wurde. Das erste Unvereinbarkeitsgesetz der Ersten Republik wurde später wegen seiner Ämterkumulierung eingeführt.
Während er Korruption ermöglichte, soll er sich aber selbst nie bereichert haben: Sogar sein späteres Gehalt als Botschafter spendete er der Partei und besaß angeblich nur zwei Anzüge und einen Frack. "Ihm ging es nur um Macht, nie ums Geld“, überlegt Fraydenegg-Monzello.
Bis heute ist seine politische Rolle in der Ersten Republik dubios und schwer einzuordnen. Fraydenegg-Monzello hat es in einer rund 400 Seiten starken Biografie versucht, die kürzlich erschienen ist. Sein Resümee? "Er war nicht der ultimative Ideologe, er war Machtmensch und Opportunist.“
Hochgebildet – 1902 habilitierte er sich als erst 26-Jähriger für zivilgerichtliches Verfahren – schrieb er Lehrbücher und arbeitete als Uni-Professor. Doch er hatte einen ausgeprägten Drang zur Macht: 1919 wurde Rintelen Landeshauptmann in der Steiermark und blieb es – mit Unterbrechungen wegen seiner Ministerzeit in Wien – bis 1933.
Er war nicht der ultimative Ideologe, er war ein Machtmensch, einer der Gründer der Korruption
Er wuchs zum unumschränkten Herrscher der Steiermark heran, förderte den Ausbau der bewaffneten Heimwehr. 1933 wurde seine Machtgetriebenheit sogar der eigenen, faschistisch ausgerichteten Partei zu viel: Sie schob ihn aufs Abstellgleis und beorderte ihn als Botschafter nach Rom. Denn er versuchte mehrmals, selbst Regierungschef zu werden, seine Intrigen stürzten mehrere Bundeskanzler.
Sein Ehrgeiz, doch noch höher zu steigen, trieb ihn in die Arme der Nazis. "Er hat bis zum Schluss geglaubt, sie kontrollieren zu können“, beschreibt Fraydenegg-Monzello.
Gleichzeitig war Rintelen wirtschaftlich ein Vordenker: Schon 1924 propagierte er eine Bahn über die Koralm, förderte Wasserkraft statt Kohleverbrennung zur Energiegewinnung. Er war erster Präsident der RAVAG, der Radio-Verkehrs-AG, die 1924 zu senden begann – und an deren Finanzierung seine "Steirerbank“ beteiligt war.
Ein Landesfürst
"Für seine Zeit war er durchaus innovativ“, befindet sein Biograf. Und er war Vorreiter jener starken Landesfürsten, die in der Zweiten Republik auftraten. "Er hat das Bild des Landeshauptmannes, der gegen Wien wettert, mitgeprägt“ ist Fraydenegg-Monzello überzeugt. „Rintelen hat den latenten Länderseparatismus mitbegründet.“
Buchtipp: Andreas Fraydenegg-Monzello, "Landesfürst und Hochverräter. Eine österreichische Karriere“. 440 Seiten, Böhlau, 59 Euro
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