Lehre für Menschen mit Migrationshintergrund: "Raus aus der Hilfsarbeit"
"Ich will mir was aufbauen. Ich will nicht 18 werden, dann nur heiraten und Kinder kriegen", betont Marya selbstbewusst. "Ich will meine eigene Firma aufmachen, mein Leben leben."
Die 16-Jährige ist eine von rund 160 jungen Menschen, der derzeit im Projekt "Vielfalt.Qualifiziert" von Beraterinnen und Beratern begleitet werden: 2022 gestartet, will die Caritas Steiermark damit 15- bis 25-Jährigen mit Migrationshintergrund den Weg in die Facharbeit ebnen.
Dabei werden den Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht nur Lehrstellen vermittelt, sondern die Expertinnen und Experten der Caritas bleiben über die gesamte Ausbildungszeit eng mit ihren Schützlingen – aber auch den Firmen – in Verbindung.
"Es sind viele Lehrstellen frei und es gibt viele Personen im Migrationsbereich, die keinen Job haben", beschreibt Projektleiter Omid Redjaian. "Wir wollen diese Kluft überwinden helfen."
Auszeichnung für das Projekt
Rund 70 Klientinnen und Klienten haben bereits Lehrstellen gefunden, die übrigen suchen noch oder besuchen die nötigen Deutschkurse. Obwohl damals erst ein Jahr jung, heimste "Vielfalt.Qualifiziert" im Vorjahr schon in einer Kategorie den "Integrationspreis" des Österreichischen Integrationsfonds ein.
Hoch im Kurs stehen bei den Jugendlichen Berufe in der IT und Mechatronik, doch sie interessieren sich ebenso für klassisches Handwerk wie Tischler oder Friseur.
Ein fremdes System
Wobei vielfach auch erst das System Lehre erklärt werden muss, wie der 17-jährige Ahmad eingesteht: "Ich hab’ gar nicht gewusst, was eine Lehre ist. Ich hab’ gedacht, es gibt Schule oder Arbeit. Aber jetzt bin ich schon voll dabei."
Da ist dann bei uns auch viel Überzeugungsarbeit nötig, um klarzumachen: Mit einer Lehre bist du eine Fachkraft. Das ist ein wertvoller, wichtiger Beruf, du hast damit eine sichere Zukunft
Tatsächlich gebe es einigen Erklärungsbedarf, bestätigt Redjaian: "Wir sagen unseren Klientinnen und Klienten, das ist eine Ausbildung, mit der du aus dem ewigen Kreis der Hilfsarbeit oder Leiharbeit herauskommst." Denn in vielen Ländern sei das österreichische System der Lehrlingsausbildung nicht bekannt.
Eine sichere Zukunft
Viele seiner Schützlinge, speziell die bereits Erwachsenen, würden lieber gleich mehr Geld als die Lehrlingsentschädigung verdienen wollen. "Da ist dann bei uns auch viel Überzeugungsarbeit nötig, um klarzumachen: Mit einer Lehre bist du eine Fachkraft. Das ist ein wertvoller, wichtiger Beruf, du hast damit eine sichere Zukunft."
- Die Caritas Steiermark startete "Vielfalt.Qualifiziert" 2022: Ziel ist, 15- bis 25-Jährige mit Migrationshintergrund für Lehrberufe zu interessieren und als Fachkräfte in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
- Das Projekt erhielt im Vorjahr den "Integrationspreis" des Österreichischen Integrationsfonds.
Er ist mit 3.000 Euro dotiert, Einreichungen sind noch bis Mitte August möglich (www.integrationspreis.at)
Ohne Vorurteile
Grundsätzlich sei wohl mehr Netzwerkarbeit und Betreuung nötig, als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, überlegt Redjaian – auf beiden Seiten. "Wir gehen da ganz ehrlich und offen mit dem Thema um, dass es Vorurteile geben könnte. Aber die Betriebe, die mitmachen, sehen das dann auch als eine persönliche Herausforderung und wollen, dass es funktioniert."
Die Begleitung bleibt bis zum Schluss der Ausbildung aufrecht, also der Lehrabschlussprüfung. Zumindest einmal monatlich gibt es einen sogenannten "Check in" zwischen Lehrling und Projekt-Betreuer, falls nötig, sind auch Lehrer oder Psychologen im Team.
Das Team hilft
"Oft geht es um ganz einfache Dinge, an die man auf den ersten Blick gar nicht denkt", beschreibt Redjaian: "Wie gut ist der Lehrbetrieb mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar? Hat der Jugendliche für das Online-Bewerbungsgespräch das notwendige Equipment?“ Fatima, 16, drückt es simpel aus: "Das Team hilft einem von null bis Ende."
Die Abbruchquote liegt derzeit bei 40 Prozent, was in dem Bereich aber erwartbar sei, versichert Redjaian. "Meistens hat das auch nichts mit dem Beruf oder der Ausbildung zu tun, sondern eher mit sozialen Problemen."
Damit die Firmen nicht müde werden
Wichtig sei auch der Kontakt zu den Firmen. "Unser Fokus geht weg nur vom reinen Vermitteln einer Person und dann geht es zur nächsten weiter. Da werden die Firmen auch müde. Wir wollen schauen, dass die Betriebe wieder mehr Spaß haben, auszubilden, unabhängig von der Herkunft des Lehrlings."
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