Arbeiten in Wien: Weiterhin viele Hürden für Migranten und Geflüchtete
Genau genommen haben die zehn Forscher, die ehrenamtlich für den Wiener Integrationsrat arbeiten, die zusätzliche Aufgabe, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse bei Pressekonferenzen auch zu wiederholen. Immer in der Hoffnung, dass die Politik die Expertisen auch hört.
Was den Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich betrifft, hat sich die Lage für Migranten und Geflüchtete nur marginal verbessert, wie Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien anlässlich des mittlerweile fünften Statements des Rats skizzierte: Es dauert weiterhin viel zu lange, bis vorhandene Qualifikationen hierzulande anerkannt werden, Stichwort Nostrifizierung. Es gibt noch immer zu lange Wartezeiten, um effiziente Deutschkurse besuchen zu können.
Von der Idee, die von der ÖVP forciert wird, Asylwerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, halten die Forscher übrigens wenig: „Es gibt internationale Studien, wonach eine restriktive Arbeitsmarktpolitik Folgekosten für den Staat verursacht“, so Judith Kohlenberger.
„Lock-in-Effekt“
Wenig erfolgreich sind die Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration im internationalen Vergleich, wie Sieglinde Rosenberger, Politikwissenschafterin an der Uni Wien, ausführte: „Es stehen nur wenige Wege zum regulären Arbeitsmarkt offen.“
Dennoch sind aktuelle Beschäftigungszahlen besser, als auch die Wissenschaft erwartet hätte: So haben 80 Prozent der Männer fünf Jahre nach ihrer Ankunft in Österreich Arbeit. Dies ergab eine aktuelle Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Problematisch ist die Situation allerdings bei den Frauen: Da ist nur jede Dritte regulär beschäftigt.
Ein Dauerdefizit erklärte Integrationsforscherin Judith Kohlenberger auch anhand der geflüchteten Ukrainer. Die sind oft hoch qualifiziert, können aber nur ganz schwer am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß fassen.
➤ Mehr dazu: Ukrainische Heimhelfer: Eine gepflegte Ausbildung
Den Kurs, der von der Stadt Wien und vom Land Niederösterreich gefördert wird, in dem 25 Ukrainer zu Heimhelfern ausgebildet werden (der KURIER berichtete), hält Kohlenberger für eine Initiative in die richtige Richtung. Sie warnt aber vor dem „Lock-in-Effekt“.
Der ist dann gegeben, wenn Fachkräfte mit Migrationshintergrund nicht oder nicht entsprechend ihrer Ausbildung arbeiten können. Die Expertin kritisiert diesbezüglich: „Es hat doch niemand etwas davon, wenn eine Ärztin in Österreich nicht als Ärztin arbeiten darf.“
Die Bemühungen der Stadt Wien punkto Arbeitsmarktintegration bewertet die Mitarbeiterin des Integrationsrats grundsätzlich besser als die Maßnahmen der Bundesregierung.
Der zuständige Stadtrat, Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) hält fest, „dass wir die Empfehlungen der Wissenschaft selbstverständlich aufgreifen werden“. So soll unter anderem das Wiener Budget für Nachqualifizierungen im kommenden Jahr erhöht werden.
„Forderung ist skurril“
Dass Flüchtlinge in Wien zu gemeinnützigen Arbeiten verpflichtet werden könnten, das wollte Wiederkehr definitiv ausschließen: „Lange wollte man sie gar nicht arbeiten lassen, und jetzt will man sie zum Arbeiten zwingen – diese Forderung ist doch skurril.“
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