In Graz wurde Straße nach dem "Engel von Auschwitz" benannt
"Was ich tat, war Menschenpflicht und leider nur ein Tropfen ins Meer."
So schrieb Maria Stromberger an den KZ-Verband, als sie 1955 als Ehrenmitglied aufgenommen wurde: Als Krankenschwester in KZ Auschwitz organisierte sie Medikamente für die Häftlinge oder schmuggelte Pakete mit Plänen und anderem Beweismaterial zur polnischen Untergrundbewegung.
Stromberger statt Kernstock
Stromberger, die die "Wahrheit suchte, während sich andere blind und taub stellten", wie der Historiker und kommunistische Widerstandskämpfer Hermann Langbein einst schrieb, starb laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) vereinsamt 1957 in Vorarlberg.
Doch seit Donnerstag sind ihr Name und ihr Wirken in im öffentlichen Raum in Graz präsent: Eine Straße wurde nach Stromberger benannt - und zwar jene, die bisher Kernstockgasse hieß.
"Mit der Umbenennung der historisch belasteten Kernstockgasse in die Maria-Stromberger-Gasse setzen wir ein sichtbares Zeichen, wen wir ehren wollen", betont Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) bei der Enthüllung der Straßentafel. "Wir übernehmen als Menschenrechtsstadt Verantwortung für unsere Geschichte."
Schwarz-Blau wollte nur Zusatztafeln
Anders als die Vorgängerregierung ÖVP und FPÖ geht die Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ den Weg der Umbenennung belasteter Straßen: Während Schwarz-Blau Zusatztafeln als ausreichend erachtete (diese allerdings gleich an allen nach Menschen benannten Straßenbezeichnungen anhängen wollte), verschwinden nun Namen eines Ottokar Kernstock oder Max Mell. Namenspaten, die bereits von einer Historikerkommission als "sehr problematisch" eingestuft wurden. Mell etwa rühmten Nationalsozialisten als „repräsentativsten Dichter der Ostmark“, Kernstock war deutschnationaler Dichter.
Die Kommission prüfte mehrere Jahre lang 707 Verkehrsflächen in Graz, die nach Menschen benannt wurden. 2018 kam sie zur Schlussfolgerung: 82 Benennungen sind "bedenklich", 20 "sehr problematisch", da ihre Namenspaten Mitglieder totalitärer Parteien, rassistisch und antisemitisch waren.
Der Beschluss auf Umbenennung solcher Straßen fiel in dieser Gemeinderatsperiode ohne die Stimmen von ÖVP, FPÖ und KFG (Korruptionsfeier Gemeinderatsklub).
Die Maria-Stromberger-Gasse ist die dritte Umbenennung in Graz: Der Dr. Muck-Platz bei der Oper wurde bereits nach Ella Flesch benannt, aus der Max-Mell-Allee wurde im Jänner 2023 die Oktavia-Aigner-Rollet-Allee.
Eine Pionierin statt deutschnationalen Dichters
Sängerin Flesch musste aufgrund ihrer jüdischen Herkunft vor den Nazis erst aus Deutschland, später auch aus Österreich fliehen. Aigner-Rollet war die erste Medizinerin, die in Graz eine Arztpraxis eröffnete. 1906 wurde sie erstes weibliches Ärztekammer-Mitglied.
Maria Stromberger lebte von 1914 bis 1935 in Graz, ehe sie sich in Vorarlberg zur Krankenschwester ausbilden ließ. 1942 wurde sie nach Auschwitz versetzt. "Eine mutige Frau, deren Widerstand gegen das NS-Regime beinahe in Vergessen geraten ist", merkt Gemeinderätin Manuela Wutte (Grüne) am Donnerstag an. In einer Biografie wurde sie als "Engel von Auschwitz" bezeichnet.
Einsamer Tod
Nach Kriegsende 1945 wurde Stromberger laut DÖW wegen des Verdachts der Beteiligung an den Verbrechen in Auschwitz verhaftet, doch Ex-Häftlinge aus Polen setzten sich für sie ein und erreichten, dass sie frei gelassen wurde. Dennoch, Arbeit als Krankenschwester fand Stromberger nicht mehr, sie arbeitete als Hilfsarbeiterin einer Fabrik. 1957 starb sie an an den Folgen eines Herzinfarktes.
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