Die ersten Straßennamen mit NS-Bezug verschwinden aus Graz
Max Mell ist der Erste: Die 1962 nach ihm benannte Allee auf dem Grazer Rosenhain, einem grünen Naherholungsgebiet mitten in der Stadt, trägt ab sofort einen anderen Namen – jenen Oktavia Aigner-Rolletts. Der bisherige Namenspate Mell wurde bereits 2018 von einer Historikerkommission als „sehr problematisch“ eingestuft, rühmten ihn die Nationalsozialisten doch als „repräsentativsten Dichter der Ostmark“.
Aigner-Rollett war eine Pionierin: Sie promovierte im Dezember 1905 als zweite Frau überhaupt an der medizinischen Fakultät und war die erste Medizinerin, die in Graz eine Arztpraxis eröffnete. 1906 wurde sie das erste weibliche Mitglied der Ärztekammer.
Doch die Umbenennung zog sich fast vier Jahre lang. Die damals regierende ÖVP-FPÖ-Koalition befand, erläuternde Zusatztafeln müssten reichen – und zwar nicht nur an den 20 als „sehr problematisch“ und 62 als „bedenklich“ bewerteten, sondern an allen nach Personen benannten öffentlichen Straßen und Plätzen. Davon gibt es in Graz immerhin 707.
"Sichtbares Zeichen"
Die Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ sieht das anders und zieht einen Schlussstrich. „Mit der Umbenennung der historisch belasteten Max-Mell-Allee setzen wir ein sichtbares Zeichen“, begründet Vizebürgermeisterin Judith Schwentner. Damit ergäbe sich auch die Chance, das Ungleichgewicht zwischen nach Männern und Frauen benannten Verkehrsflächen zu korrigieren.
Das Aus für Mell ist der Anfang, demnächst folgt eine neue Bezeichnung für die Kernstockgasse – Ottokar Kernstock dichtete unter anderem das Hakenkreuzlied: Widerstandskämpferin Maria Stromberg wird statt Kernstock sichtbar gemacht.
Anders als in Linz jedoch dürfte Graz den Porscheweg vorerst behalten: Die Grazer Historikerkommission stufte Ferdinand Porsche zwar als „bedenklich“ ein, reihte ihn aber nicht unter die 20 „sehr belasteten“ Namensgeber. Anders die Experten in Oberösterreich, die Porsches „zentrale Rolle in der NS-Kriegswirtschaft“ samt Duldung von Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und KZ-Insassen herausstrichen. In Linz wird Porsche gestrichen.
Trainerlegende statt Kriegstreiber
Einen neuen Namen soll es aber für die Conrad-von-Hötzendorf-Straße geben: 1949 wurde sie nach jenem General benannt, der nach jüngster Forschung als antisemitischer Hetzer und Kriegstreiber des Ersten Weltkrieges zu sehen ist. Ein Teil der zwei Kilometer langen Straße soll nach dem früheren Trainer des SK Sturm, Ivica Osim, benannt werden, über den Rest gibt es noch keinen Beschluss.
Auch in anderen Städten beginnt die Aufarbeitung. Kapfenberg in der Obersteiermark erhofft bis September einen Bericht einer Kommission über Straßenbezeichnungen, für die Menschen Paten waren. Auch der Name des Fußballstadions steht zur Debatte: 2001 nach dem langjährigen SPÖ-Bürgermeister Franz Fekete benannt, wird nun dessen SS-Vergangenheit durchleuchtet.
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