"Enorme Sprengkraft": Echte Bombe vor Gebäude der Zeugen Jehovas

"Enorme Sprengkraft": Echte Bombe vor Gebäude der Zeugen Jehovas
Vor einem Gebäude der Glaubensgemeinschaft in Kalsdorf bei Graz wurde Freitagnacht ein Sprengsatz entdeckt. Der Staatsschutz ermittelt.

Ein Notruf bei der Polizei, der am Freitagabend um 20.30 Uhr eingegangen ist, hat in der Steiermark einen Großeinsatz ausgelöst, wie die Landespolizeidirektion am Samstagvormittag berichtet. 

Was war passiert: Vor einem Glaubensgebäude der Zeugen Jehovas in Kalsdorf bei Graz hatten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft ein "verdächtiges Paket" entdeckt und Alarm geschlagen.

Paket war Sprengsatz

Am Samstag gegen 16 Uhr kam dann die Information, dass es sich bei dem verdächtigen Paket tatsächlich um einen funktionstüchtigen Sprengsatz gehandelt hat. 

Das Paket hätte "potenziell großen Schaden anrichten können", so Polizei-Sprecher Markus Lamb.

"Enorme Sprengkraft": Echte Bombe vor Gebäude der Zeugen Jehovas

Laut Polizei hätte der Sprengsatz eine "enorme Sprengkraft" entfalten können. Es handle sich um eine "sehr ernst zu nehmende grundsätzlich funktionstüchtige Sprengvorrichtung, die in der Lage wäre, ein beträchtliches Schadensausmaß anzurichten", so der Sprecher weiter.

Über Art und Weise der Beschaffenheit gibt es aus ermittlungstaktischen Gründen vorerst aber keine weiteren Auskünfte. Es folgen weitere chemische Analysen.

"Zahlreiche Einsatzkräfte sperrten das Areal sofort großräumig ab und alarmierten Sprengstoff-Experten (SKO) der Polizei", heißt es in einer Aussendung. Auch Sprengstoff-Spürhunde sowie die Bereitschaftseinheit (BE) seien eingesetzt worden. 

Entschärfungsdienst im Einsatz

Da bei einer ersten Begutachtung nicht ausgeschlossen werden konnte, dass es sich bei dem Paket um einen explosiven Gegenstand handelt, wurde auch der Entschärfungsdienst (ESD) der Direktion für Spezialeinheiten (DSE) im Innenministerium hinzugezogen. 

"Enorme Sprengkraft": Echte Bombe vor Gebäude der Zeugen Jehovas

Im Bild: Das vier Tonnen schwere Spezialgerät mit Sprengstoffunterdrückungssystem auf einem Archivbild aus dem Juni 20232.

Rund 50 Personen mussten vorsorglich in Sicherheit gebracht werden. Sie wurden von der Feuerwehr und vom Roten Kreuz sowie dem Kriseninterventionsteam erstversorgt und betreut. Verletzt wurde niemand. 

"Wir sind froh, dass niemand zu Schaden gekommen ist. Aber das macht uns natürlich betroffen", sagt Markus Kakavis, österreichischer Sprecher der Zeugen Jehovas, zum KURIER. Bei dem Treffen am Freitagabend habe es um eine der üblicherweise zwei Mal wöchentlich stattfindenen Zusammenkünfte gehandelt.

Nach Anschlag im Vorjahr sensibilisiert

Bei der Glaubensgemeinschaft ist man nach einem Vorfall im Vorjahr in Fragen der Sicherheit ohnehin sensibilisiert, wie Kakavis erklärt: "Der Vorfall im letzten Sommer ist noch nicht sehr weit weg."

Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr war es zu einem Rohrbombenanschlag auf zwei Autos von Mitgliedern der Zeugen Jehovas gekommen - ebenfalls in der Steiermark.

Vorsicht war bei dem Einsatz Freitagnacht also allemal geboten. Zunächst näherten sich die Spezialisten des Entschärfungsdienstes mit Hilfe von Röntgengeräten und einem Roboter dem verdächtigen Gegenstand im Eingangsbereich. "Dabei stellte sich heraus, dass eine vom Gegenstand ausgehende Gefahr nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann" so die Polizei. 

Paket an sicheren Ort gebracht

Entschärfungsspezialisten stellten das Paket sicher und brachten es an einen sicheren Ort. Dabei wurde zum Abtransport ein rund vier Tonnen schweres Spezialgerät mit Sprengstoffunterdrückungssystem verwendet, welches seit der Karwoche des Vorjahres im Einsatz steht.

"Das Paket wurde offenbar bewusst dort abgelegt", sagte Lamb schon Samstagfrüh. Bis zum Nachmittag hatte sich der Verdacht dann erhärtet: "Es handelt sich um einen unkonventionellen, selbst gebauten, aber grundsätzlich funktionstüchtigen Sprengsatz." 

Kriminaltechniker werden nun weitere chemische Analysen durchführen sowie Spuren am Sprengsatz sichern. Details zur Bauweise, dem verwendeten Sprengmittel oder zur Menge des Sprengmittels wolle man weiterhin bewusst aus kriminaltaktischen Gründen nicht bekannt geben.

Ob es Zusammenhänge mit dem Anschlagsversuch im Vorjahr gibt "wird natürlich überprüft", sagt Lamb. "Hier laufen nach wie vor die Ermittlungen." Ende vergangenen Jahres schien es, als wäre die Polizei nahe an der Aufklärung des Falls. Bei einem Ex-Mitglied der Zeugen Jehovas kam es zu einer Hausdurchsuchung. "Aber der Anfangsverdacht hat sich nicht bestätigt", so Lamb.

Staatsschutz ermittelt

Das heißt, dass der Täter nach wie vor auf freiem Fuß ist. Der erneute Vorfall wird entsprechend ernst genommen. Das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) Steiermark ermittelt bereits hinsichtlich der Hintergründe. 

"Neben der ohnehin bereits verstärkten Präsenz über die Osterfeiertage wurden auch zusätzliche Schutzmaßnahmen für sämtliche Objekte der „Zeugen Jehovas“ veranlasst", heißt es weiter. Die Polizei ersucht in diesem Zusammenhang, etwaige verdächtige Wahrnehmungen bzw. Gegenstände sofort via Notruf 133 zu melden. 

Bürgermeister Manfred Komericky, selbst früher bei der Cobra, sagte am Karsamstag im APA-Gespräch, dass die Einsatzkräfte die Lage sehr gut bewältigt hätten: "Es waren ausreichend Kräfte da. Polizei, Feuerwehr und Rettung waren sehr professionell", betonte er. 

Heikel war der Einsatz auch, weil sich der Königreichssaal der Kalsdorfer Zeugen Jehovas in einem Siedlungsgebiet befindet. Schon einige Jahrzehnte sei die Glaubensgemeinsamschaft in der Marktgemeinde verankert und "es hat noch nie Schwierigkeiten gegeben", so der Bürgermeister. Er sprach von einem "kooperativem Miteinander".

Seitens der Zeugen Jehovas hieß es, dass man froh sei, dass niemand zu Schaden gekommen ist und die Polizei die Sache von Anfang an sehr ernst genommen habe. Die Glaubensgemeinschaft betreue nun ihre Mitglieder, weil "das macht mit jedem etwas", sagte ein Sprecher zur APA. 

Einige seien schockiert und es sei natürlich "beunruhigend". Bei der Veranstaltung habe es sich übrigens um einen regulären Gottesdienst gehandelt, wie er zwei Mal wöchentlich von den Zeugen Jehovas abgehalten wird. Die Feierlichkeiten rund um den höchsten Feiertag der Glaubensgemeinschaft, dem Todestag Jesu Christi, gerechnet nach dem altjüdischen Kalender, waren bereits in der Vorwoche am 24. März.

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