FPÖ-Spesenaffäre: Was mit "Transcherlgeld" bezahlt worden sein soll

Mann schaut in die Kamera
Sondersitzung des Grazer Gemeinderates wegen FPÖ-Finanzskandals. Ex-FPÖ-Vizebürgermeister zitiert aus jüngstem Finanzgutachten der Justiz.

Kaum hat Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) die Sondersitzung des Gemeinderates eröffnet, marschiert Mario Eustacchio auch schon zum Rednerpult.  

Was in dieser Sitzung Donnerstagvormittag gesagt wird, werde aufgenommen, erinnert Eustacchio, bis Herbst 2021 Vizebürgermeister und FPÖ-Stadtparteiobmann in Graz: "Möglicherweise gibt es in dieser Debatte heftige Auseinandersetzungen und inkriminierende Äußerungen", warnt Eustacchio, mittlerweile wilder Gemeinderat. "Das wäre dann mitgeschnitten."

Und merkt an, dass derzeit auch "illegale Mitschnitte" die Runde machten. Das zielt auf drei Tonbänder ab, längst "Würstelstandgate" genannt, wo der frühere Finanzdirektor der FPÖ Graz darüber ausgehorcht wird, wer denn so alles über die FPÖ-Finanzaffäre gewusst haben könnte.

Worum es geht

Genau um sie dreht sich der Sondergemeinderat, im Mittelpunkt steht zwangsläufig Eustacchio: Er trat, ebenso wie der damalige Klubobmann Armin Sippel, vor drei Jahren von allen politischen Ämtern zurück, nachdem mutmaßlich missbräuchliche Verwendung von Fördergeldern bekannt wurde. Um bis zu 1,8 Millionen Euro soll es insgesamt gehen, so der Vorwurf.     

Seit drei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft, das Verfahren ist mittlerweile in viele Stränge verästelt, darunter auch mehrere in die Landes-FPÖ, Stichwort Hausbau des FPÖ-Landesobmannes Mario Kunasek

Keine Kontrolle

Doch zurück zum Kern und dem Ausgangspunkt aller Turbulenzen, den Verfügungsmitteln und Klubförderungen in der Stadt. Im Vorjahr monierte der Stadtrechnungshof, dass es derzeit de facto keinerlei Kontrolle gibt, wie Stadträte oder Klubs ihre Verfügungsmittel einsetzen. Auffallend daran: Bis Anfang der 2000er Jahre war diese Kontrolle durch den Stadtrechnungshof sehr wohl vorgesehen. 

Konkrete Vorgaben, wie diese Verfügungsmittel zu verwenden sind, gibt es bis auf eine Bürgermeister-Richtlinie aus 1997 zudem keine. Das macht ihren Einsatz dehnbar: So soll Eustacchio als Stadtrat Reisen oder Faschingskostüme damit bezahlt haben, Stadtsenatskollegen anderer Fraktionen "Geschäftsessen" oder eine Sitzbank

Von Fotoalben bis zur Vakuumpumpe

Alexis Pascuttini, Klubchef der FPÖ-Abspaltung KFG, zerpflückt vor allem die Ausgaben, die über Eustacchios Büro abgerechnet worden sein sollen: "Aussee 2015 - 120 Euro, Innsbruck - 400 Euro. Klären Sie mich auf, ist Innsbruck der 19. Bezirk von Graz?" Auch Fotoalben, Theaterkarten oder ein Englischkurs tauchten laut Pascuttini ebenso auf wie eine Vakuumpumpe oder Barauszahlungen an einen Steuerberater.

Gegen Schluss der Sondersitzung geht Mario Eustacchio noch einmal ans Rednerpult, verwehrt sich gegen "inquisitorisch operierende Medien" und zückt Auszüge aus dem jüngsten Finanzgutachten der Staatsanwaltschaft. Es liege seit Dienstag vor: Demnach halte der Gutachter fest, dass "davon auszugehen sei", dass Eustacchio "die Mittel bestimmungsgemäß verwendet" habe.

Keine Prüfung in 13 Jahren

"Das sagt alles", kommentiert Eustacchio und rechnet vor, von seinem Stadtratskonto seien  2015 bis 2021 546.282 Euro verwendet worden, aber 572.000 Euro an Mitteln eingegangen. "Ich habe wie andere Stadtsenatsmitglieder die Mittel bei der Stadthauptkasse angefordert. Der Stadtrechnungshof hätte jederzeit prüfen können, aber in den 13 Jahren meiner Zeit hat er es nicht getan." 

Zudem seien auf sein Stadtratskonto auch Gelder der FPÖ geflossen. "Da werden also Äpfel mit Birnen verglichen. Birnen - die Mittel der FPÖ, Äpfel - die städtischen Mittel." 

Mehr als eine Million Euro 

"Braucht es wirklich neben der üppigen Parteien- und Klubförderung noch ein zusätzliches Spesenkonto? Ein Spesenkonto, das alles möglich macht, was man sich vorstellen kann?" fragt indes Neos-Gemeinderat Philipp Pointner und fordert die ersatzlose Streichung des "Transcherlgeldes".  Immerhin gehe es da um 1,1 Millionen Euro pro Gemeinderatsperiode.

Die anderen Parteien gehen den anderen Weg und wollen Regeln für die Verwendung der Verfügungsmittel beschließen, "Grazer Transparenzpaket" genannt. So müsse dann eben exakt festgehalten werden, wofür das Geld verwendet wird und es müsse mit der "städtischen Aufgabenstellung" zu tun haben.

Wer kontrolliert?

Kontrolliert werden soll dies von der Magistratsdirektion, was allerdings wiederum Fragen aufwirft: Politisch ist sie dem Bürgermeisteramt unterstellt, doch auch der jeweilige Stadtchef oder jeweilige Stadtchefin hat Zugriff auf Verfügungsmittel.

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