Wann denn mit einer "Beendigung des Ermittlungsverfahrens" zu rechnen sei, hinterfragte die SPÖ erst vor Kurzem im Nationalrat die Causa prima der Steiermark - die Finanzaffäre rund um die FPÖ in Graz.
Die Replik des Justizministeriums war allerdings wenig erhellend: "Eine Beantwortung dieser Frage ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht seriös möglich", ließ Minister Johannes Rauch (Grüne) im Dezember wissen, der JustizministerinAlma Zadić im Amt vertritt, sie bekam vor wenigen Wochen ihr zweites Kind.
Allerdings wird in dem Fall bereits seit mehr als drei Jahren ermittelt, konkret seit November 2021. Was macht die Causa derart kompliziert, dass die Justiz zu keinem Ende kommt? Ein Überblick.
Ermittelt wird im gesamten Komplex wegen mehrerer möglicher Straftatbestände: Verdacht der Veruntreuung, der Untreue, des Fördermissbrauchs, der Urkundenfälschung und Geldwäscherei.
So sollen etwa Klubfördermittel des Gemeinderates, also Steuergelder, für private Zwecke verwendet worden sein; die Schadenssumme wird mit bis zu 1,8 Millionen Euro kolportiert.
Das Verfahren ist aber längst weit verzweigt und nicht mehr auf die FPÖ Graz beschränkt: So gibt es auch Anzeigen und Ermittlungen gegen FPÖ-Landesparteiobmann und Landeshauptmann Mario Kunasek sowieLandtagspräsident Gerald Deutschmann.
Wie kam es überhaupt zu Ermittlungen?
Kurz nach den Gemeinderatswahlen in Graz (26. September 2021) überraschten der damalige FPÖ-Stadtparteiobmann und Vizebürgermeister Mario Eustacchio sowie Klubobmann Armin Sippel mit ihrem sofortigen Rückzug aus der Kommunalpolitik wie von der Parteispitze.
Eustacchio und Sippel legten ihre Ämter am 31. Oktober 2021 nieder: Da wurde medial bereits über den Verdacht nicht zulässiger Extra-Gagen spekuliert.
Anfang November 2021 zeigt sich der damalige Klubdirektor der FPÖ Graz, Matthias Eder, selbst an und hinterlegte zeitgleich rund 700.000 Euro als Schadenswiedergutmachung.
Wieso leiten Klagenfurter Staatsanwälte das Verfahren?
Zunächst nahm die ortszuständige Staatsanwaltschaft Graz im November 2021 Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue auf. Im Mai 2022 trat sie den Aktaber an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ab: Da kam es den Juristen der Grazer Anklagebehörde in den Sinn, dass es vielleicht doch mögliche Befangenheiten geben könnte. Der Kreis der Verdächtigen war zu dem Zeitpunkt auf acht gewachsen - Hausdurchsuchungen erfolgten allerdings erst im Oktober 2022.
Das liegt einerseits an den sich ständig ausweitenden Ermittlungen und neuen Strängen, die sich dadurch ergeben - auch hervorgerufen durch immer neue Anzeigen, auch anonyme.
Andererseits drückte die Staatsanwaltschaft nicht gerade aufs Tempo, wenn etwa Hausdurchsuchungen beinahe ein Jahr nach Ermittlungsbeginn vorgenommen wurden. Ein potenziell wichtiger Zeuge, der frühere Büroleiter Mario Eustacchios, wurde überhaupt nicht befragt - eine Hausdurchsuchung wurde überhaupt erst nach seinem Tod angeordnet.
Zudem griff die Oberstaatsanwaltschaft Graz mehrmals per Weisung ein, um Ermittlungen auszudehnen oder mögliche Beweismittel zuzulassen, das betrifft unter anderem einen heimlich aufgenommenem Mitschnitt eines nächtlichen Gesprächs am Würstelstand: Da beteuerte Ex-Klubdirektor Eder, dass er -- anders als in seiner Selbstanzeige deponiert - nicht alleine verantwortlich gewesen sei.
Was soll eigentlich mit dem Geld passiert sein?
Faschingskostüme, Reisen, Sitzbänke, aber auch Fotoalben, Theaterkarten oder ein Englischkurs tauchen laut dem FPÖ-Ableger KFG auf der Liste auf, die abgerechnet worden sein sollen. Ebenso eine nicht näher definierte Vakuumpumpe oder Barauslagen.
Allerdings - und das kann relevant auch vor Gericht werden - gab es im Rathaus nur eine vage Bürgermeister-Richtlinie aus 1997 und keinerlei Kontrolle, wie Stadtsenatsbüros oder Gemeinderatsklubs die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Das kritisiert der Stadtrechnungshof deutlich und weist auch darauf hin, dass es bis Anfang der 2000er Jahres sehr wohl so eine begleitende Kontrolle gab.
Auch der Gerichtsgutachter geht in seiner Ergänzungsexpertise davon aus, dass etwa Mario Eustacchio die Mittel "bestimmungsgemäß" verwendet habe.
Ja, bei Nebenschauplätzen, die aus dem Hauptkomplex ausgegliedert wurden. So kam es im Mai 2024 zu einem kurzen Prozess gegen einen Ex-FPÖ-Mitarbeiter, der trotz seines Jobs auch vom AMS ein paar Tausend Euro bezogen haben soll - diese Malversation flog im Zuge der Ermittlungen des Finanzskandals auf - der Einzelrichter verhängte gemeinnützige Arbeit.
Im August 2024 wurde ein ehemaliger Gemeinderat (nicht rechtskräftig) zu sechs Monaten bedingter Haft sowie 14.400 Euro Geldstrafe verurteilt: Auf seinem Computer wurden einige Bilder entdeckt, die sexualbezogene Darstellungen Unmündiger zeigten.
Wie geriet FPÖ-Landeschef Kunasek ins Visier?
Im April 2023 begehrte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt erstmals die Auslieferung Mario Kunaseks, also die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des FPÖ-Landesparteiobmanes, damals Klubobmann im Landtag Steiermark.
Zunächst ging es um den Verdacht der Falschaussage als Zeuge, später erweiterte die Anklagebehörde um Verdacht des Fördermissbrauchs, der Veruntreuung und Untreue - als Beitragstäter, denn er habe die mutmaßlichen Malversationen nicht unterbunden. Die FPÖ selbst stimmte der Auslieferung zu, seither ermittelt die Justiz auch gegen Kunasek.
Längst aber auch in einem weiteren Strang des Falles: So wird ihm vorgeworfen, er habe Gelder der Partei für seinen privaten Hausbau verwendet - Vorwürfe aus einer anonymen Anzeige, die Kunasek stets zurück wies. Hier liegt der Vorhabensbericht bereits bei der Oberstaatsanwaltschaft, letzlich entscheiden wird das Justizministerium.
Ermittelt wird wegen dieses Hausbaus auch gegen den Ersten Landtagspräsidenten Gerald Deutschmann, er fungierte als Architekt. Gegen ihn liegt seit Kurzem ein weiteres Auslieferungsbegehren vor, wegen des Verdachts der versuchten Bestimmung zur Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Alexis Pascuttini (KFG) schlüpfte in die Rolle des Aufdeckers
Welche Rolle spielt der FPÖ-Ableger KFG?
Nach den Rücktritten Eustacchios und Sippels im Herbst 2021 an der Spitze der FPÖ-Stadtpartei, rückten zwei bis dahin kaum bekannte Freiheitliche nach: Claudia Schönbacher wurde FPÖ-Chefin und Stadträtin in Graz, Alexis Pascuttini Klubobmann im Gemeinderat.
Doch die beiden Neuen waren im Bezug auf die Spesenaffäre nicht so ruhig, wie erwartet, stellten Fragen und schlossen einen Gemeinderat aus der FPÖ Graz aus, was Mitte Oktober 2022erst zum Parteiausschluss Pascuttinis (durch die Landes-FPÖ) und kurz darauf Schönbachers (durch die Bundes-FPÖ) führte.
Gemeinsam mit weiteren Mitstreitern gründeten sie den Korruptionsfreien Gemeinderatsklub (KFG), Schönbacher behielt den Stadtratssitz. Pascuttini, mittlerweile Rechtsanwaltsanwärter, fühlt sich seither in der Rolle des Aufdeckers in der FPÖ-Finazcausa sehr wohl und setzte Akteneinsicht durch Parteistellung durch. Er ist es auch, der mit neuen Verdachtsmomenten und Vorwürfen aufzeigt - und anzeigt.
Gegen wie viele Personen wird jetzt noch ermittelt?
Im Lauf der Jahre wuchs die Anzahl der Verdächtigen auf 18, laut Anfragebeantwortung des Justizministeriums aus Dezember 2024 sind es aber derzeit nur zehn Personen, gegen die noch Verfahren laufen. Bei einer Person befinde sich das Verfahren im Anzeigestadium. Es gab also mehrere Einstellungen.
Neu dazu gekommen ist 2025 die Anzeige des Grazer Korroptionsfreien Gemeinderatsklubs (KFG) gegen eine Staatsanwältin, die bis Herbst federführend an dem Akt arbeitete.
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