Zwei schräge Vögel und ein nackter Pfau

Der eine braucht, der andere hat. Helmut Raith fasst in kurzen Worten zusammen, was ihn mit dem Künstler Hubert Hasler verbindet. Raith ist Tierpräparator und Hasler suchte jemanden, der ihm einen toten Pfau herrichtet. Aber eben nicht so, wie es der viel zitierten Pfaueneitelkeit geziemt. Nackt sollte er sein, der Pfau, wie ein gerupfter Truthahn. Der nackte Pfau sollte im Zentrum von Haslers Kunstaktion stehen. Einen Präparator zu finden, der so etwas kann und auch macht, war nicht einfach.
Herr Raith konnte und er machte. Allerdings nicht, ohne sich seinen Teil zu denken. Die Begegnung zwischen dem Künstler Hasler und dem Tierpräparator Raith war schräg. "Ich wollt’ ihm das ausreden. Ehrlich gesagt hab’ ich mir schon gedacht, der spinnt ein bissl. Aber ich mag außergewöhnliche Menschen und Projekte."

Auch diesem grauweißen Fellbündel hat Helmut Raith wieder Leben eingehaucht. Es wartet noch immer auf sein Frauchen
Und es kommen ja allerhand Leute in Herrn Raiths Werkstatt, die andere vielleicht für spinnert halten würden. Jäger, Film- und Theaterregisseure und viele traurige Menschen, die ihr Schoßhunderl wieder zum Leben erwecken möchten.
Dieser Tage hat Raith einen Hirschen in die Oper nach Stuttgart geliefert. Und immer wieder arbeitet er für Filme und Fernsehserien. Wenn in einer Serie oder einem Film ein Tier stirbt, war das Stunt-Double wahrscheinlich von Herrn Raith. Die Filme und Stücke, in denen seine Tiere stumme, doch beeindruckende Statisten sind, schaut er sich meistens auch an, manchmal ist er dann enttäuscht.
Helmut Raith ist der letzte Tierpräparator Wiens. Der Beruf hat schon bessere Zeiten gesehen. Früher war die Jagd noch etwas allgemein Angesehenes, meint Herr Raith. Und in den Schulklassen gab’s Wildtierpräparate, damit die Kinder etwas über Tiere lernen können. Irgendwann hat man begonnen, das gruselig zu finden und die Tiere entsorgt. Heute lernen die Kinder eben vom Bildschirm, wie Tiere ausschauen, sagt Raith mit einem leichten Schulterzucken.

Der Künstler Hubert Hasler hat seinen Pfau jetzt im Wiener MQ gezeigt. Eine neue Ausstellung ist in Vorbereitung. Mehr zu Pfau, Künstler und allem, was man über die beiden wissen muss: huberthasler.de
Man braucht einen guten Magen hier, in diesen dunklen Räumen, von deren Wänden man von allen Seiten von toten Tieren angestarrt wird. Seit 46 Jahren ist Helmut Raith als Präparator selbstständig, und ein beträchtlicher Teil seiner Arbeit scheint hier herumzustehen und zu hängen. Ein Labyrinth in einem naturhysterischen Museum. Papageien, Löwen, Gämsen, Katzen. Herrn Raith selbst würde weder ein lebendes noch ein totes Haustier ins Wohnzimmer kommen. Höchstens die eine oder andere Jagderinnerung. Ein toter Hund? Niemals. „I hob so vü Viecher do, daham brauch i kan’s.“ Immer wieder finden verwaiste Tierbesitzer ihren Weg hierher und überantworten dem Präparator ihre verblichenen Lieblinge, auf dass er ihnen wieder Leben einhauchen möge. Was sie später mit ihren auf diese besondere Weise wieder zum Leben erweckten Tieren machen? So genau will Helmut Raith das gar nicht wissen.

Raith liebt es, Bewegungen zu verewigen. Stellungen. Etwa, wenn zwei Tiere raufen. Am schlimmsten ist es, wenn Leute eine Gams bringen und sagen, sie soll am besten einfach geradeaus schauen, dann könne man sie überall hinhängen. Da wehrt sich alles in Herrn Raith, so macht man das einfach nicht. So ein Tier schaut dann wirklich tot aus, ausgestopft.
Alle möglichen Tiere hat Herr Raith schon hier in seiner Werkstatt gehabt. Sogar ausgewachsene Elefanten. Jetzt gerade ist jene kleine Elefantendame dran, die in der Coronakrise als „Abstandsmaß“ für den Sicherheitsabstand eines Babyelefanten Berühmtheit erlangte. Kibali hat die Pandemie nicht überlebt, ist voriges Jahr mit nicht einmal zwei Jahren an plötzlichem Herzversagen gestorben. Bei Herrn Raith ist sie in guten Händen. Der hat schließlich auch schon einen „Kommissar Rex“ auf seine Weise behandelt.

Tierpräparator Helmut Raith will das Leben festhalten
Das grauweiße Fellbündel wartet schon seit einer Weile hier. Bestellt und nicht abgeholt. Irgendwann hat jemand das Fellbündel, das früher ein Hund war, tot in die Werkstatt gebracht, Helmut Raith hat ihm Leben eingehaucht. So gut er halt kann. Die Hundebesitzerin ist trotzdem nicht mehr aufgetaucht, das Fellbündel wartet weiter im Regal.
Das mit dem Leben einhauchen klappt beeindruckend gut bei Tierpräparator Helmut Raith. „Es geht immer darum, die richtige Bewegung einzufangen“, wird er mehrmals sagen. „Ein guter Tierpräparator muss zunächst einmal ein guter Tierbeobachter sein.“
Das Präparieren ist vielleicht nicht jedermanns, aber eine ernste Sache. An dieser Stelle etwas Grundsätzliches: „Ausstopfen“ sagt man nicht. Es heißt präparieren. Sehr vereinfacht gesagt funktioniert das so: Man holt was raus, man gibt was rein. Kann man mit jedem Tier machen, vom Schmetterling bis zur Giraffe. Was man dazu braucht? Mehr als Wissen über den handwerklichen Prozess an sich, man sollte auch über das Tier Bescheid wissen. Natürlich soll es am Ende wirken, und dazu muss man die Anatomie und das Verhalten des Tieres studieren. Der größte Fehler, den ein Präparator machen kann, ist, wenn das Tier, und jetzt dürfen wir es sagen, „ausgestopft“ ausschaut. Als Präparator ist man ein bisschen Verhaltensforscher und ein bisschen Bildhauer. Und doch ist das womöglich ein seltsamer Beruf. Das zumindest vermittelte man Helmut Raith schon früh. 70 ist der gebürtige Haugsdorfer jetzt und seit 58 Jahren ist das hier sein Traumberuf. „Ich war zwölf und bei uns im Ort hat’s einen Wirten gegeben, der hat im Winter, wenn nicht viel los war, im Wirtshaus Tiere präpariert. Ich war sofort begeistert.“ Der junge Helmut hatte daheim dann ziemliche Scherereien, die Familie war dagegen, dass der Bub diesen in ihren Augen sonderbaren Beruf ergreift. Aber er hat sich durchgesetzt, macht er immer. Was ihn dran fasziniert? „Ich versuche, das Leben festzuhalten.“ Die größte Herausforderung sind Haustiere. Weil: Ein Fuchs ist ein Fuchs, aber eine Katze hatte einen besonderen Ausdruck, den nur die mit ihr vertrauten Menschen kannten. Wenn die Leute dann ihren Liebling wiedersehen, brechen sie oft in Tränen aus. Fürs Foto eine Katze in den Arm nehmen, möchte Herr Raith nicht. Er hat Sorge, dass noch mehr Katzen-Besitzer kommen. Irgendwo versteht die Leute ja auch. „So ein präpariertes Tier hat enorme Vorteile. Es frisst nicht mehr und man hat es doch in Erinnerung.“

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