Der Gärtner und die Schöne von Moskau

Rodica Sima-Zinveli arbeitet seit zwanzig Jahren bei Kurt Schöny, der im Arm einen Stauß der Fliedersorte "Die Schöne von Moskau" hält
Am unteren Mühlwasser hat Herr Schöny vor bald sechzig Jahren das Glück gefunden. Mit Flieder, Dahlien und Steppenlilien

 Drunt’ in der Lobau residiert eine vornehme Großblütlerin namens „Schöne von Moskau“. Das zarte Gewächs ist eine der prächtigsten der vierzig Edelfliedersorten, die Kurt Schöny hier in seiner Gärtnerei am Mühlwasser kultiviert.

Herr Schöny ist bald neunzig und ungeachtet dessen hat er jetzt mit Kollegin Rodica die Fliedersträuße für den Blumenmarkt hergerichtet. Die Augen machen ihm zwar ein bisserl zu schaffen, aber die „Schöne von Moskau“ erkennt der Fachmann mit der Nase. Die Laien, Fotograf und Reporterin, sind noch nicht ganz so weit, können sich’s aber ungefähr vorstellen. Herrn Schönys Fliedergarten ist nicht nur eine Farb-, sondern auch eine Duftoase.

Der Gärtner und die Schöne von Moskau

„Damit ihr seht’s, wo der Flieder daheim ist,“ hat Herr Schöny zum Streifzug durch seinen Fliederhain eingeladen, vorher hat er noch zu angemessenem Schuhwerk gemahnt, denn der Boden hier ist sandig, perfekt für den duftenden Frühjahrsblüher.

Schöny geizt nicht mit Fachwissen. Auch die Förster aus der Lobau kämen immer wieder vorbei, um sich Rat für Flora und Fauna zu holen. Denn auch mit Letzterem kennt sich der Gärtner aus. Hier im Fliederhain gibt es ein gewisses Rehaufkommen, was aber nichts macht, findet er: „Schaun’S, es is so vü Flieder do, des reicht fia mi und die Reh’.“

Weltweit gibt es um die 2.000 Fliedersorten, alle riechen verschieden, genau könne uns das die internationale Fliedergesellschaft sagen, meint Herr Schöny. Er selbst hat diese New Yorker Institution, die seit 1971 Fliederenthusiasten zusammenbringt, selbstverständlich schon besucht. Die Fliederwissenschaft ist eine ernste Sache.

Vor fast sechzig Jahren hat der gebürtige Donaustädter Kurt Schöny begonnen, einen ehemaligen Acker am unteren Mühlwasser zu bewirtschaften. Eigentlich ist er ja gelernter Damenhutmacher, hat die Hutmacherei beim Mühlbauer in Floridsdorf gelernt, aber irgendwann, so fand er, war sie vorbei, die Zeit, „wo jede böhmische Köchin nur mit Hut aus dem Haus gegangen ist“.

Er wurde zum Gärtner, weil die Philosophie des Wachsens ihn faszinierte. „Von der Gärtnerei lernt man fürs Leben. Vor allem Geduld. Wie man aus Fehlern klüger wird.“ Und nach sechs Gartenjahrzehnten sagt er: „Die Pflanzen san wia Küken fia mi.“

Mit zweieinhalb Leuten bewirtschaftet Schöny heute seine drei Hektar große Gärtnerei, wie lange noch, das hängt mit der Inflation zusammen. Von ihr hänge es nämlich ab, wann er eines Tages einen Teil seines Grundstücks verkaufen werde.

Ist ja eine begehrte Gegend hier und man wird schließlich nicht jünger.

Davor sei noch ein Blick zurück gestattet: Würde er heute wieder alles so machen? „Oh jo. Vielleicht a bisserl anders. Aber ned vü.“

Aber noch sind wir nicht so weit, noch ist nicht Schluss. Erst kommen noch die Steppenlilien und dann die Dahlien, für die Schöny in ganz Wien gekannt ist. Keiner baut so prächtige Exemplare der Sorten „Chat noir“ und „Café au Lait“ wie Herr Schöny an, das sagt nicht nur der Herr Schöny, das erzählen auch die besten Blumenhändler Wiens. Wir kommen wieder und schauen uns das an. Im September, zur Dahlienblüte.

Tipp: Wer zu Herrn Schöny will, der sollte sich nicht auf das Navi verlassen. Das findet ihn garantiert nicht. Lieber auf den Stadtplan schauen. Naufahrtweg 167, 1220 Wien.

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