Wahrnehmung verzerrt
Vor allem ältere Patientinnen und Patienten würde dieses Vorgehen hart treffen. „Ältere Menschen können oft weniger mit dieser Technik anfangen. Die sind dann stark eingeschränkt in ihrer Wahrnehmung darüber, dass hier tatsächlich eine gerichtliche Entscheidung getroffen wird“, sagt Rappert. Auch, dass sie nicht alleine gelassen, sondern von der Patientenanwaltschaft vertreten werden, könnte bei einer Videokonferenz mit mehreren Teilnehmern für Betroffene untergehen.
Auch Richter Arno Engel vom Bezirksgericht Amstetten teilt diese Einschätzung. Er verbringt normalerweise etwa zwei Tage pro Woche in Krankenhäusern. Etwa fünf Erstanhörungen und zwei Verhandlungen pro Woche kommen schon zusammen, erzählt er. Zu Beginn der Corona-Krise hat er seine Termine wie gewohnt persönlich abgehalten. Nachdem er dabei aber mit einer Patientin, die später positiv getestet wurde, zusammenkam, musste er in Quarantäne und auch auf Videokonferenzen zurückgreifen. „Es ist auf jeden Fall so, dass bei dieser Art des Gesprächs etwas verloren geht. Das hat nicht dieselbe Qualität, wie wenn man im gleichen Raum ist und sich direkt miteinander unterhalten kann.“
Auch wie gut die Betroffenen mit dem Laptop umgehen können und ob sie schon Erfahrung mit dieser Art zu kommunizieren haben oder nicht, macht der Richter dabei für ein mögliches verzerrtes Bild verantwortlich. Als problematisch hat er es außerdem erlebt, dass nicht immer alle in einem Raum anwesenden Personen im Bild der Videokonferenz gleichzeitig sichtbar sind. So konnte es zum Beispiel passieren, dass ein Patient mit dem er zu tun hatte, laut den Ärzten während des Gesprächs extrem angespannt war. Der Richter hatte davon aber nichts bemerkt, weil zu diesem Zeitpunkt die Kamera des Laptops auf den Arzt gerichtet war.
Weiter nur per Video
Mittlerweile hält Engel seine Termine wieder persönlich ab. Laut Patientenanwalt Rappert würden aber etwa die Hälfte der in Österreich zuständigen Richter wohl bis Jahresende im Modus der Videokonferenzen weiterarbeiten wollen. Und das, obwohl laut Rappert zuständige Krankenhausabteilungen für große Räume gesorgt hatten und auf persönliche Besuche der Richter drängten. Dass diese dennoch in vielen Fällen nicht stattfinden, hält er für eine Katastrophe.
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