Zubetoniertes Österreich: Strengere Maßnahmen gefordert

Zubetoniertes Österreich: Strengere Maßnahmen gefordert
Jeden Tag werden 13,5 Hektar heimisches Grünland verbaut. Das hat vielfältige negative Konsequenzen.

13,5 Hektar an Grünland werden in Österreich verbaut - pro Tag. Das entspricht beinahe der Fläche des Wiener Türkenschanzparks oder, um den klassischen Vergleich heranzuziehen, 19 Fußballfeldern. So oder so: Das ist trauriger Rekord unter den EU-Ländern. Und mehr als das Fünffache des Zielwertes der Bundesregierung von 2,5 Hektar.

Im Dreijahresschnitt werden also momentan 44 Quadratkilometer jährlich verbaut - das entspricht in etwa der Fläche von Eisenstadt. 41 Prozent dieser Fläche gehen überhaupt dauerhaft verloren, weil sie versiegelt, also wasserundurchlässig verbaut werden.

Der Hauptgrund für diesen massiven Bodenverlust: Raumordnung ist Sache der Länder. Experten kritisieren, dass diese Änderungen an den Flächenwidmungsplänen der Gemeinden oftmals einfach durchwinken, anstatt ihre Kontrollverantwortung wahrzunehmen.

Breite Mehrheit für strengere Maßnahmen

Dabei ist das Bewusstsein für die Problematik längst in der Bevölkerung angekommen, wie eine aktuelle "Market"-Umfrage im Auftrag des WWF zeigt. 86 Prozent der Befragten verlangen strengere Gesetze und Maßnahmen gegen die Verbauung der Landschaft und den Flächenverbrauch. 87 Prozent sind dafür, dass bei der Genehmigung von Infrastrukturprojekten strenger auf die Natur geachtet wird.

Anlässlich dieser Zahlen fordert der WWF einen Bodenschutz-Vertrag gegen den unkontrollierten Flächenfraß. "Österreich liegt beim Bodenverbrauch im internationalen Spitzenfeld. Tagtäglich verlieren wir im Schnitt 13 Hektar Boden, das befeuert sowohl das Artensterben als auch die Klimakrise. Zusätzlich leiden unsere Gesundheit und unsere Ernährungssicherheit, wenn Österreich weiter so zubetoniert wird“, kritisiert WWF-Programmleiterin Hanna Simons.

Zubetoniertes Österreich: Strengere Maßnahmen gefordert

Hanna Simons, WWF

Die negativen Folgen des Bodenverlustes sind vielfältig. Allem voran gefährdet er die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln, weil der Großteil der Flächen logischerweise rund um bestehende Siedlungsgebiete verloren geht. Diese Siedlungen wurden jedoch ursprünglich dort gegründet, wo die Böden am fruchtbarsten sind.

Die Österreichische Hagelversicherung warnt, die Ernährungssouveränität Österreichs werde durch den Bodenverbrauch "massiv gefährdet". Bereits jetzt gäbe es bei Brotgetreide nur mehr einen Selbstversorgungsgrad von 86 Prozent, bei Kartoffeln von 80 Prozent, bei Gemüse von unter 50 Prozent und bei Soja überhaupt nur von 15 Prozent.

Darüber hinaus speichert versiegelter Boden kein Wasser, filtert keine Schadstoffe, speichert kein CO2 - und befeuert durch all das den Klimawandel bzw. dessen negative Auswirkungen.

Auch der WWF betont, dass unsere Ernährung genauso von intakten, fruchtbaren Böden abhängt wie unser Zugang zu Trinkwasser, zu sauberer Luft, zur Abkühlung im Sommer sowie zum Schutz vor Naturkatastrophen. "Durch den hohen Bodenverbrauch sind viele dieser natürlichen Leistungen schon jetzt massiv eingeschränkt. Daher können wir uns keine weitere Verschwendung leisten und müssen den Bodenverbrauch massiv reduzieren“, sagt Simons.

Lösungen gefordert

"Die Menschen spüren den hohen Bodenverbrauch bereits sehr stark in ihrem eigenen Umfeld und wollen dafür konkrete Lösungen“, sagt auch "Market"-Studienleiterin Birgit Starmayr zu den Ergebnissen der repräsentativen Erhebung mit 1.008 Befragten. 76 Prozent kritisieren, dass die Politik zu wenig gegen den Flächenverbrauch tut. 73 Prozent orten deutlich zu viel Neuverbauung in der unmittelbaren Wohnumgebung. Und mehr als die Hälfte (59 Prozent) sieht Erholungsgebiete im eigenen Bundesland vom Flächenfraß bedroht.

"Der Naturschutz muss in Zukunft einen weit höheren Stellenwert haben. Zusätzlich braucht es eine Reform der Raumordnung und des Steuersystems mit dem Ziel, Flächen zu sparen und somit die wichtigen biologischen Funktionen gesunder Böden zu erhalten“, fordert WWF-Expertin Simons.

Im türkis-grünen Regierungsprogramm wird dem Problem immerhin ein eigenes Unterkapitel gewidmet: "Gesunde Böden und zukunftsfähige Raumordnung". Angekündigt wird unter anderem eine bundesweite Bodenschutzstrategie und eine Stärkung der überregionalen Raumplanung.

WWF startet Petition

Der WWF will sich jedoch nicht auf die Ankündigungen der Bundesregierung verlassen und startet unter dem Motto "Natur statt Beton“ eine Petition gegen den Flächenfraß. Darin wird unter anderem ein Bodenschutz-Vertrag gefordert, um den Bodenverbrauch auf maximal einen Hektar pro Tag zu reduzieren.

Besonders gefordert seien Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Umweltministerin Lenore Gewessler (Grüne) und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). "Die Bundesregierung hat einen Aktionsplan gegen den Bodenverbrauch versprochen und muss dafür strukturell wirksame Maßnahmen liefern. Das ist gerade jetzt wichtig, denn der Neustart nach der Coronakrise darf nicht zur rücksichtslosen Verbauung Österreichs missbraucht werden“, sagt Simons.

Seit Jahren wachse der Flächenfraß schneller als die Bevölkerung. Defizite in der Raumplanung, in der Wirtschaftspolitik und im Steuersystem würden die Zersiedelung des Landes befeuern, alljährlich bis zu fünf Milliarden Euro in umweltschädliche Subventionen fließen, während sich Österreich eines der dichtesten Straßennetze Europas leiste.

Der mit all diesen Faktoren verbundene Verlust an Lebensräumen gefährdet das heimische Naturerbe: Jede dritte Tier- und Pflanzenart steht bereits auf der "Roten Liste“, nur noch 15 Prozent der Flüsse können frei fließen.

 

Die Petition "Natur statt Beton. Stoppt die Verbauung Österreichs!“ kann hier unterzeichnet werden.

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