Wiener mit Hang zu Triest

Wiener Design: Dizzi Alfons, Erich Bernard, Hundedame Matakia in dem 110 Jahre alten Schuhgeschäft, das bald ein Lokal wird
Triestiner Tradition. Das schönste Geschäft von Triest wird nach einem Dornröschenschlaf von zwei Wiener Unternehmern wiederbelebt. Statt Schuhen wird dort demnächst Sachertorte verkauft

Von Barbara BeerJede italienische Stadt hat ihre Via Dante Alighieri. Natürlich ist auch in Triest eine Verkehrsfläche nach dem Dichter benannt. Hier, am Rande dieser prächtigen Einkaufsstraße, steht auf Nummer eins eines der schönsten Häuser der Stadt. Mit einem der schönsten Geschäftslokale der Gegend. Einem, wie in Oberitalien viele alte, denkmalgeschützte Lokale genannt werden, „negozio storico“, was so viel wie „historisches Geschäft“ heißt. 110 Jahre lang verkaufte das Triestiner Familienunternehmen Rosini an dieser Stelle feine Damen- und Herrenschuhe aus eigener Erzeugung. Vergangenes Jahr ist mit Roberto Rosini, dem Enkel des Firmengründers Guido Rosini, der Letzte der Schuhdynastie in Pension gegangen.

Etwas Altes, etwas Neues

Das Haus und das elegante Geschäftslokal – Letzteres wurde einst wohl von einem Wiener Einrichtungsstudio in Stil des Sezessionismus gestaltet – sind Erich Bernard schon lange aufgefallen. Bernard ist Wiener Designer mit Hang zu Triest. Was man dem Triest-Buch, das er vergangenes Jahr gemeinsam mit dem Publizisten Georges Desrues herausgegeben hat, durchaus anmerkt. Bernard ist außerdem Partner im Wiener Architekturbüro BWM, das sich unter anderem mit Interior Designs für österreichische Traditionsbetriebe, wie das Hotel Sacher oder die Wiener Staatsoper, einen Namen gemacht hat. Mit historischen Geschäftslokalen hat Bernard Erfahrung und der weitläufige ehemalige Rosini-Laden mit den dunklen Holzmöbeln und der eleganten Treppe hat es ihm schon lange angetan. Als die Besitzer vergangenes Jahr den Rollbalken endgültig herunterließen, beschloss Bernard gemeinsam mit dem gebürtigen Wiener Dizzi Alfons: Da muss etwas geschehen. Etwas Gastronomisches. Etwas, das Altes mit Neuem, das Wien mit Triest verbindet. Etwas für die Triestiner, und nicht in erster Linie für Touristen. (Sagt sich leicht, wenn man, wie Dizzi Alfons, in Triest lebt.)

Noch vor Weihnachten wollen die beiden das alte Schuhgeschäft zum Lokal machen. Und dabei in jeder Hinsicht auf Tradition bauen. Ein Hybrid aus Café, Bar und Shop soll es werden. Typisch Triest, kommt das Altösterreichische auf die Karte – Kalbsgulasch, vor allem aber die Original Sachertorte. Und weil Triest, obwohl manche das Gegenteil behaupten, ja doch Italien ist, muss ein ordentlicher Aperitivo her. Natürlich wird es die regionalen Weißwein-Spezialitäten wie Malvasia oder Friulano geben, aber auch den einen oder anderen österreichischen Wein.

Vor den Vorhang

Triest ist und bleibt Sehnsuchtsort für viele Österreicher. Das hat nicht zuletzt historische Gründe. Schon im 14. Jahrhundert gelangte  Triest  unter habsburgische Herrschaft und wurde später zum bedeutendsten Hafen der Monarchie. Die sprachliche und kulturelle Vielfalt war groß:  neben Italienisch (die größte Sprachgruppe) wurde hier vor allem Slowenisch und – wesentlich weniger, aber doch – Deutsch gesprochen. Heute noch gibt es etliche Lehnwörter aus dem Deutschen, wie etwa Cren (Kren) oder Crafen (Krapfen). Apropos: Das österreichische Erbe zeigt sich natürlich in der Kulinarik: Geselchtes und Gesottenes  mit Kraut und Kren etwa findet man in den vielen sogenannten Buffets (das berühmteste ist  das „Buffet da Pepi“). 
Besonders  stolz ist man in  Triest auf die  historischen Kaffeehäuser, die um die Jahrhundertwende nach Wiener Vorbild entstanden und von denen  drei nach mehreren existenzbedrohenden Krisen noch immer mehr oder weniger im Originalzustand existieren: Das Caffè San Marco (heute zum Teil Buchhandlung), das  Tommaseo (Triests ältestes Kaffeehaus, es eröffnete schon 1830) und das  Caffè degli Specchi an der Piazza Unità. Und wer Kaffee sagt, sagt natürlich auch  Mehlspeise. Die  Triestiner Konditorkunst ist ungeheuer vielfältig und als Österreicher fühlt man sich bei Apfelstrudel, Sacher- und Linzertorte sofort daheim.  In  der historischen Pasticceria „La Bomboniera“ hinter dem  Canale Grande etwa, wo  die  Mehlspeisen seit 174 Jahren im holzbefeuerten Backofen gebacken werden.  Besondere Spezialität ist die Pinza, ein Gebäck aus süßlichem Germteig, das bei uns Pinze  genannt wird und meist nur um Ostern herum erhältlich ist. In Triest indessen ist das ganze Jahr Pinza-Zeit. 

Wiener mit Hang zu Triest

In der Pasticceria „La Bomboniera“ hinter dem Canale Grande wird seit 1838 im Holzofen gebacken 

Das Hin und Her zwischen den beiden Städten hat Tradition. Zeuge davon ist hier unter anderem ein hundert Jahre alter Schuhkarton, der einst zwischen Wien und Triest reiste und künftig auch ausgestellt werden soll. Designer Peter Weisz will diese Zeugen der Vergangenheit vor den Vorhang bitten. Ein Großteil des Interieurs, etwa die alten Regale und die sezessionistisch dekorierten Verkaufspulte, werden bleiben, aber auch Details wie Schuhspanner oder eben Schachteln sollen von früher erzählen. Nicht zuletzt wird das Porträt des alten Herrn Rosini künftig über die Sachertorten wachen. Man möchte wenig ändern, sagt Erich Bernard. „Wir gehen mit den Spuren der Vergangenheit wertschätzend um.“

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