„Völlig unverständlich“
Die Diskussionen über das Urteil reißen seither nicht ab. Als „völlig unverständlich“ bewertet Ursula Kussyk das Urteil im Gespräch mit dem KURIER. Die Leiterin der Frauenberatungsstelle Notruf bei sexueller Gewalt sagt: „Ein Nein ist ein Nein.“ Und sie führt weiter aus: „Wenn ein Mädchen oder eine Frau signalisiert, dass sie kein Interesse an einer sexuellen Handlung hat und ihr Gegenüber nicht ablassen will, dann ist das ganz eindeutig ein sexueller Übergriff.“
Die ausgebildete Sozialarbeiterin hat gemeinsam mit ihrem Team Hunderte Mädchen und Frauen beraten und auch begleitet. Deshalb weiß sie auch: „Wir leben in einer Zeit, in der wir davon ausgehen dürfen, dass die Menschen mündig sind. Die alte Vorstellung, dass sich eine Frau nicht traut, dass sie sich ziert und dass daher ein Nein ein Ja sein soll, ist überholt. Sie gilt heute nicht mehr.“
Dies sagt Ursula Kussyk dezidiert auch in Richtung der österreichischen Gerichtsbarkeit: „Wir haben leider viel zu oft erleben müssen, dass ein Fall, bei dem die Rechtslage ganz eindeutig war, zu Ungunsten des Opfers entschieden wurde.“
Zu beachten sei in diesem Kontext auch folgender Aspekt: Weil sich die Opfer auch emotional in einer Ausnahmesituation befinden, müsse ein nonverbales Wegschieben reichen, betont die Leiterin der Frauenberatungsstelle. Sie begründet das so: „Nach so einem massiven Angriff versagt den Frauen manchmal auch ihre Stimme.“
Den Männern möchte Ursula Kussyk geraten haben: „Wenn ich mir nicht ganz sicher bin, dann sollte ich es unbedingt lassen. So geht man ja auch sonst in unserer Gesellschaft miteinander um.“
Die in Wien-Ottakring stationierte Frauenberatungsstelle Notruf bei sexueller Gewalt ist auch im österreichweit tätigen Bundesverband der Autonomen Frauenberatungsstellen Österreich (BAFÖ) integriert. Sie bietet Beratung und Betreuung – und das kostenlos.
„Wir erklären den Frauen zunächst, was sie nach einer Anzeige bei der Polizei erwartet“, erklärt Ursula Kussyk. „Wenn sie das möchten, dann begleiten wir sie auch auf das Polizeikommissariat. Und wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, stellen wir kostenlos eine Anwältin oder einen Anwalt zur Seite.“
„Sie war doch erst zwölf“
Der Fall des Mädchens, dem vom Wiener Landesgericht nicht Recht gegeben wurde, nimmt auch die erfahrene Sozialarbeiterin sichtlich mit: „Sie war doch erst zwölf.“
Kommentare