12-Jährige missbraucht? "Nein" von Mädchen reicht nicht für Schuldspruch
Der 17-Jährige zieht die Kapuze seiner Winterjacke tief ins Gesicht. Kamerateams und Fotografen warten im Gerichtsgebäude bereits auf ihn. In Begleitung seines Vaters huscht er um eine Ecke, um auf den Aufruf seiner Verhandlung am Dienstag zu warten.
Es ist bereits der zweite Prozesstag im Wiener Landesgericht für Strafsachen gegen ihn. Dem Burschen wird Vergewaltigung vorgeworfen. Er soll einer jener jungen Männer sein, die eine damals 12-Jährige in Wien-Favoriten sexuell missbraucht haben sollen.
Umfangreiche Ermittlungen
Gegen insgesamt 17 männliche Jugendliche wird ermittelt. Einer wurde von den Vorwürfen vor Gericht bereits freigesprochen.
Als der Kontakt zwischen dem syrischen Angeklagten und dem Mädchen begann, war der Bursche 15. Es kam zu einem ersten Kuss. Die beiden tauschten ihre Snapchat-Daten aus. Beim zweiten Treffen aber lockte er die 12-Jährige in ein Parkhaus. Dort kam es zu Oralsex, obwohl das Mädchen sagte, das nicht zu wollen - soweit gleichen sich die Aussagen.
Das sagt der Angeklagte
"Ich habe sie mehrmals gebeten. Dann war es freiwillig", sagt der Bursche.
Das sagt das Mädchen
"Ich habe mehrmals gesagt, ich will nicht. Er hat meinen Kopf gepackt. Ich habe keinen Ausweg gesehen", schilderte das Mädchen.
Eine Gutachterin stellte fest, dass das Opfer keine bleibenden Schäden davonträgt. Das regt die Mutter des Mädchens - sie verfolgt die Verhandlung - und Anwalt Sascha Flatz auf. "Natürlich geht es ihr sehr schlecht. Sie musste den Wohnort, die Freunde und die Schule wechseln." Flatz ärgert sich über "die Verachtung", die der junge Mann seiner Mandantin gegenüber an den Tag legte.
Chats
Und er zitiert aus einem Chat-Verlauf mit einem Freund. "Scheiß Nutte" ist noch eine der höflicheren Bezeichnungen.
"Dass er gebettelt und versucht hat, sie zu überzeugen, das war falsch. Er hätte das Nein akzeptieren müssen", sagt der Anwalt des Angeklagten. Aber das Mädchen hätte einfach weggehen können, hätte um Hilfe schreien oder zubeißen können, wie er ausführt. "Sie hat auch Nacktfotos verschickt. Da ist bei meinem Mandanten ein falscher Eindruck entstanden."
Symbolische 100 Euro wolle man dem Mädchen übergeben. Der 17-Jährige greift in seine Hosentasche, holt zwei 50-Euro-Scheine heraus und legt sie auf den Tisch von Flatz. Für die Mutter des Mädchens ist das purer Hohn.
Die vorsitzende Richterin Martina Hahn verkündet das Urteil: Freispruch (nicht rechtskräftig) für den 17-Jährigen. "Wir haben hier zwei sehr junge Menschen, denen wenig vorgelebt worden ist, wie Sexualität gelebt wird." Sein Wissen habe er der Angeklagte aus dem Internet. "Es passiert oft, dass man erst nein sagt und sich dann durch Zärtlichkeiten überzeugen lässt."
Fest stehe auch, dass sich beide im Vorfeld Videos mit sexuellen Handlungen geschickt hätten.
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