Wie viele Waffen verträgt das Land?

Wie viele Waffen verträgt das Land?
ÖVP und FPÖ sind für Freizügigkeit beim Waffenbesitz, Rot-Grün für individuelle Prüfung für Waffenpass.

Die geplante Novellierung des Waffengesetzes in Österreich wird nicht nur zur Nagelprobe für die rot-schwarze Koalition. Hinter den Kulissen kämpfen mächtige Befürworter und Gegner darum, ob beispielsweise in Zukunft jeder Polizist wegen erhöhter Terrorgefahr auch in seiner Freizeit eine Waffe tragen darf. Der entstandene Streit hat auch der Grundsatzdiskussion über das Tragen von Waffen neue Nahrung gegeben.

Nicht mehr Sicherheit

Je mehr Feuerwaffen in einem Land in Umlauf sind, desto mehr Zwischenfälle und Todesopfer sind zu beklagen. Zu diesem Schluss kommen Wissenschafter der Medizinischen Universität New York, die im Rahmen einer Studie den Waffenbesitz und dessen tödliche Folgen in 27 Staaten verglichen haben (siehe Zusatzbericht unten). Darauf stützt sich auch die Spitze des österreichischen Gewerkschaftsbundes: "Wir sehen nicht, dass das die Sicherheitslage verbessert, wenn mehr Menschen eine Waffe haben. Wir vermuten eher das Gegenteil", stellt ÖGB-Präsident Erich Foglar (FSG) in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf fest und lehnt die diesbezügliche Zugangserleichterung zum Waffenpass ab.

Ins gleiche Horn stößt der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz: "Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Polizisten in der Freizeit gar keine Waffe tragen möchte, um nicht ständig im Dienst zu sein. Jene von ihnen, die eine Waffe für die Freizeit wünschen, werden aber genau die Falschen sein."

SPÖ und Grüne wollen jedenfalls keine generelle Waffenpass-Genehmigung – weder für Polizisten, noch Zivilisten – sondern, wie bisher, individuelle Prüfungen.

Kaliber-Beschränkung

Auf der anderen Seite stehen die Befürworter der Gesetzesnovelle. Etwa ÖVP- und FPÖ-Polizeigewerkschafter oder die Lobbyistengruppe IWÖ (Interessensgemeinschaft liberales Waffenrecht). Die wollen auch, dass sich Uniformträger in der Freizeit selbst schützen dürfen. Vielen von ihnen geht die geplante Novellierung noch nicht weit genug. Dass sie etwa eine Kaliberbeschränkung für Waffen enthält, die Polizisten in ihrer Freizeit tragen dürfen, erscheint nicht Waffensachverständigen in sachlicher Hinsicht als Nonsens.

Dass nun – nach den Jägern, die mit schwieriger Bejagung des Schwarzwilds argumentieren – immer mehr Berufsgruppen den Zugang zu Waffenpässen fordern, gibt der Debatte zusätzlich Zündstoff. Einer der Fürsprecher ist der Wiener Anwalt und Waffenrechts-Experte Raoul Wagner. Er hat eine Beschwerde gegen die Gesetzesnovelle eingebracht und verlangt Waffenpässe beispielsweise für Berufssoldaten, Justizwachebeamte und Rechtsanwälte. "Alleine unsere Kanzlei wurde drei Mal überfallen. Zwei Mal gab es Verletzte, Verhandlungen mussten mit Polizeischutz absolviert werden", sagt Wagner. Der Jurist vertritt mittlerweile fast 70 Polizisten, die um Waffenpässe angesucht haben.

Besonders dramatisch sei die Situation für Justizwachebeamte, die seit Jahren keinen mehr bekommen. Wagner kennt den Fall eines Beamten aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Der Mann und seine Familie wurden von einer Verbrecherbande bedroht. Obwohl der Gefängnisdirektor ihm die besondere Gefährdung schriftlich bescheinigte, verweigerte die zuständige Bezirkshauptmannschaft dem Justizbeamten einen Waffenpass zum Selbstschutz.

Eine Studie der Medizinischen Universität New York hat sich mit dem Waffenbesitz und dessen tödlichen Folgen in 27 Staaten beschäftigt. Berücksichtigt wurden dabei Unfälle genau so wie Verbrechen und Selbstmorde. Spitzenreiter im Länder-Ranking sind die USA mit 88,8 Feuerwaffen pro hundert Einwohner und einer Opferrate von 10,2 Toten (pro 100.000 Einwohner und Jahr). Österreich liegt mit 30,4 Feuerwaffen pro 100 Einwohner und 2,94 Toten pro 100.000 Einwohner und Jahr an sechster Stelle der Tabelle. Walter Hammerschick vom Wiener "Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie" (IRKS) hat sich mit der Studie und dem Thema beschäftigt.

KURIER: Würden Sie sagen, wir leben in Österreich aufgrund der Waffenbesitze gefährlich?Hammerschick: Es ist nur ein kleiner Prozentsatz der Österreicher bewaffnet, und deshalb sehe ich derzeit noch keine besonderen Gefahren. Generell zeigt die zitierte Studie aber, dass es dort, wo viele Waffen in Privathaushalten vorkommen, auch eine höhere Zahl an Zwischenfällen gibt. Wir alle kennen Meldungen vor allem aus den USA, dass zum Beispiel Kinder mit Schusswaffen im Elternhaus hantieren und dabei jemand getötet oder schwer verletzt wird. Es muss nicht immer ein Verbrechen sein, Unfälle oder Suizid gehören auch zu diesen tragischen Ereignissen.

In Österreich soll das Waffengesetz novelliert werden. Jeder Polizist wäre dann dazu berechtigt, in der Freizeit eine Waffe zu tragen. Was sagen Sie dazu?Ich verstehe das Innenministerium nicht, wenn das tatsächlich mit der erhöhten Terrorgefahr begründet wird. Was könnte ein einzelner Polizist, der dann vielleicht in seiner Freizeit in eine entsprechende kritische Situation kommt, mit einer Waffe ausrichten? Und selbst wenn man sich Einsatzvorteile durch eine Bewaffnung von Polizisten in ihrer Freizeit erwarten würde, gäbe es andere Lösungsmöglichkeiten.

Welche?Wenn es das Ziel ist, Polizisten für konkrete Bedrohungen und Gefahrensituationen schneller im Einsatz zu haben, könnte man zeitlich begrenzte Ausnahmeregelungen treffen, in denen etwa die Waffenbesitzkarte eines Polizeibeamten als Waffenpass gilt. Die Gefahrenlagen wären dann vom Innenministerium festzustellen.

Einem Polizisten sollte man zumindest die Zuverlässigkeit und den sorgsamen Umgang mit der Waffe zutrauen, oder?Grundsätzlich ja, aber auch ein Polizist ist nur ein Mensch und der kann genau so in Lebenssituationen kommen, die er nicht beherrscht. Auch dazu gibt es Beispiele. Es kann sich auch niemand von einem Polizisten in der Freizeit dieselbe Aufmerksamkeit wie im Dienst erwarten, zudem sind Polizisten im Dienst selten alleine unterwegs.

Sie meinen, dass mehr Waffen auch ein größeres Risiko für die Gesellschaft bedeuten?Ich sehe kein vernünftiges Argument dafür, dass mehr Waffen in Privathaushalten mehr Sicherheit bedeuten könnten. Ich bin kein strikter Waffengegner, aber ich halte eine strenge Handhabung und entsprechende Gesetze für notwendig.

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