Denn erst wenn es eine gesicherte Datenlage gibt, wie sich die Variante auf die Infektionslage auswirkt, kann darüber entschieden werden, ob eine Öffnung vertretbar ist. „Statistisch kann man das aber noch nicht untermauern.“
Unter anderem auch, weil die Datenlage in den letzten Tagen immer komplizierter wurde. Durch das Ende einer gewissen Datenreihe ist es aktuell nicht einmal möglich, die 7-Tages-Inzidenz valide zu berechnen. Fakt ist aber, dass die britische Virusvariante der entscheidende Faktor ist.
Wenn sich diese Variante durchgesetzt hat und tatsächlich 50 bis 70 Prozent infektiöser ist, so nimmt das massiven Einfluss auf den Reproduktionswert des Virus. Aktuell liegt dieser bei 0,92.
Allerdings hat sich die britische Variante im aktuellen Infektionsgeschehen noch kaum bemerkbar gemacht.
Die unsichere Datenlage macht es für Neuwirth schwierig, definitiv zu sagen, ob eine Öffnung vertretbar ist. Die Gefahr, dass sich die britische Variante durch die Lockerungen schneller verbreitet, sei aber jedenfalls gegeben.
Günter Weiss, Direktor der Innsbrucker Uni-Klinik für Innere Medizin, hat zuletzt den engen Fokus auf eine Sieben-Tages-Inzidenz von maximal 50 kritisiert.
„Das ist eine sehr eindimensionale Sicht, die manche Theoretiker an den Tag legen, aber denen vielleicht ein bisschen der Blick für die Praxis fehlt“, sagt Günter Weiss zum KURIER. „Manche können und wollen die Maßnahmen nicht mehr befolgen.“
Das schreibt der Mediziner „einer gewissen Ermüdung und Erschöpfung“ der Menschen zu. Nicht zuletzt aufgrund der neuesten Maßnahmen – FFP-2-Tragepflicht und 2-Meter-Abstand – hält Weiss es „für gerechtfertigt, einen Schritt zurückzumachen“ und spricht sich für die kolportierten Lockerungen bei Handel, Schule und körpernahen Dienstleistern aus.
„Das bietet vielleicht die Möglichkeit, wieder mehr Leute ins Boot zu holen.“ Damit die Menschen wieder zum Mitmachen motiviert werden, brauche es „einen Ruck.“ Es gehe darum, der Bevölkerung wieder Zuversicht und Optimismus zu geben.
Öffnungsschritte müssten behutsam erfolgen. Die Mutationen, denen laut Weiss noch weitere folgen werden, seien zwar besorgniserregend und müssten im Auge behalten werden. „Aber wie die Maus vor der Schlange zu sitzen, wird die Situation nicht verbessern“, sagt der Infektiologe, der auch den Gesundheitsminister berät.
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