Wie die zweite Corona-Welle erkannt wird
Als "historische Marke" hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Eine-Millionen-Tests-Grenze vergangene Woche betitelt.
Doch was bedeuten die steigenden Testzahlen für die Pandemie? Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Infektionszahlen und ab wann kann man von einer zweiten Welle sprechen? Der KURIER hat sich die wichtigsten Fragen zur Pandemie angesehen.
Wie viele Österreicher wurden bereits getestet?
Mit Stand Mittwoch, 10 Uhr, wurden in Österreich 1,04 Millionen Tests durchgeführt. Das bedeutet allerdings nicht, dass auch 1,04 Millionen Österreicher getestet wurden. Gerade die flächendeckenden Tests in Gastronomie, Hotellerie oder anderen Betrieben haben diese Zahl stark ansteigen lassen. Da die gleiche Person oft mehrmals getestet wird, kann man aus der Zahl der gesamten Testungen keine Rückschlüsse auf die Zahl der getesteten Österreicher ziehen.
"Für uns ist auch nur die Zahl der Tests und nicht die Zahl der getesteten Österreicher aussagekräftig", sagt Adrian Hinterreither, Sprecher im Gesundheitsministerium. Zudem sind selbst die 1,04 Millionen Tests nicht die tatsächliche Zahl aller Testungen in Österreich. Denn erst seit dem 22. Juli werden auch alle negativen Tests im System erfasst, wie Hinterreither erklärt: "Private Kliniken, Institute und Labors mussten vor dem 22. Juli negative Tests nicht zwingend einmelden. Aus diesem Grund ist die Dunkelziffer, wie viele Testungen in Österreich tatsächlich seit Beginn der Pandemie durchgeführt wurden, wohl deutlich höher."
Was sagt die Zahl der Tests in Verbindung mit den Infektionen überhaupt aus?
Grundsätzlich gilt: wer mehr testet, findet auch mehr Infizierte. Zu beachten ist dabei, dass sich seit Beginn der Pandemie der Grund für Testungen verändert hat. Während man zu Beginn nur getestet wurde, wenn man aus einem Risikogebiet gekommen ist oder Symptome gezeigt hat, wird mittlerweile flächendeckender getestet.
Dementsprechend veränderten sich die Zahlen: Während im März und April etwa 8 bis 11 Prozent aller Tests positiv waren, sind es Anfang August rund zwei Prozent. Die Zahl der positiven Fälle in Verbindung mit den Testungen ist zwar niedriger, aber das liegt an der breiten Teststrategie. Der positive Nebeneffekt: Erst durch die flächendeckenden Tests, findet man auch Infizierte ohne Symptome, weil diese erst jetzt getestet werden.
Ab wann kann man von einer zweiten Corona-Welle sprechen?
Entscheidend dafür sind mehrere Faktoren. Zum einen die Reproduktionszahl – also wie viele Personen ein Infizierter ansteckt. Hier liegt Österreich aktuell bei einem Wert von 0,96. Solange dieser Wert unter 1 bleibt, hat man die Pandemie im Griff.
Ein weiterer Faktor, der mit der Reproduktionszahl zusammenhängt, ist die Steigerungsrate. Also ob das Wachstum linear oder exponentiell ist. Derzeit befinden wir uns in einem linearen Wachstum. Also beispielsweise 100 neue Infektionen gestern, 100 neue Infektionen heute. Ein exponentielles Wachstum wären 100 neue Infektionen gestern und 200 heute. Beide Kennzahlen sind übrigens auch Teil der Corona-Ampel, die ab Herbst startet.
Ist es besser, einen Cluster zu finden, oder nicht?
Wichtig sind nicht die Cluster, sondern es ist die Nachvollziehbarkeit der Infektionen. Wenn man in einem Cluster mit 100 Infizierten den Weg der Ansteckung bei allen nachvollziehen kann, dann ist man auf der sicheren Seite.
Schwierig wird es, wenn diese Infektionswege nicht erkennbar sind. Denn dadurch kann die Absonderung der möglicherweise infizierten Personen nicht stattfinden und das Virus kann sich unkontrolliert ausbreiten.
Warum gibt es für die einzelnen Bezirke Wiens keine Daten?
Der Krisenstab der Stadt Wien erklärt diese fehlenden Zahlen damit, dass man Wien nicht in einzelnen Bezirken sieht. Es ist ein Verwaltungsbereich und aus diesem Grund werden auch nur die Gesamtdaten der Stadt erhoben.
Zudem sind die Bezirksdaten für die Statistik auch nicht relevant. Durch die hohe Mobilität und Bevölkerungsdichte der Stadt, wären Bezirkszahlen schlichtweg nicht aufschlussreich. In keiner anderen Region des Landes gibt es so viele Bewegungen über Bezirksgrenzen hinweg wie in Wien.
Wie steht Österreich im Vergleich zu anderen Ländern da?
In Sachen Tests gehört Österreich zur Spitze der Vergleichsländer mit einer ähnlich großen Bevölkerungsanzahl (siehe Grafik unten). Mit 648,13 Tests pro 100.000 Einwohnern in der ersten Augustwoche liegt Österreich vor Ungarn, Portugal, Schweden und Tschechien.
Warum gibt es immer wieder Probleme bei der Datenerfassung im Ministerium?
Dafür muss man sich ansehen, woher die Zahlen kommen. Zum einen werden die Daten der Infizierten in das Epidemiologische Meldesystem (EMS) eingetragen. Zum anderen melden die Landessanitätsdirektionen der Bundesländer die Zahl der Genesenen, Todesfälle, Hospitalisierungen und andere Daten direkt an das Ministerium.
Dort werden diese Daten in das Dashboard eingetragen. Da das EMS allerdings oftmals mit der Datenerfassung hinterherhinkt, kursieren verschiedene Zahlen. "Wir arbeiten aber weiter an der Verbesserung der Datenerfassung", vertröstet Sprecher Hinterreither. Eine Zusammenführung der beiden Systeme ist vorerst nicht geplant.
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