Im Zeichen der Extreme: Mehr Strom aus Laufkraftwerken als je zuvor
Dass heuer viel Wasser den Inn hinunterfließen würde, war schon im Winter klar. Als die letzten Skigebiete in Tirol Ende April die Saison beendeten, lag der Schnee im Hochgebirge noch meterhoch. Entsprechend lange zog sich heuer die Schneeschmelze und waren die Wassermengen, die sich in die Bäche und Flüsse ergossen.
Nach zwei Sommern, in denen extreme Trockenheit die Stromproduktion aus Laufkraftwerken in Österreich und weiten Teilen Europas massiv gedrosselt hat, ist es wenig überraschend, dass etwa der Tiroler Landesenergieversorger Tiwag heuer im Plus liegt.
Die Energieerzeugung in den Laufwasserkraftwerken des Unternehmens lag im Jahr 2024 von Jänner bis einschließlich Juli "etwa 2,5 Prozent über den durchschnittlichen Jahren", heißt es auf KURIER-Anfrage. "Im sehr trockenen Jahr 2023 wurden im gleichen Zeitraum etwa 16 Prozent weniger als im langjährigen Durchschnitt produziert."
Was aber in diesem Sommer ins Auge sticht: Der Inn präsentierte sich auch nach der Schneeschmelze praktisch durchgehend prall gefüllt. Gehen Gewitter oder gar durch den Klimawandel häufiger werdende Starkregenfälle in den Bergen des Oberlands nieder, ist es stets nur eine Frage der Zeit, bis der Fluss stromabwärts bei Innsbruck anschwillt.
Weniger Juli-Strom als im Trockensommer
Und Unwetter gab es in Tirol in diesem Sommer - vor allem im Juli - reichlich. Das bedeutet viel Wasser in kurzer Zeit. Für die Stromproduktion der Tiwag-Laufkraftwerke hat sich das nachteilig ausgewirkt:
Sie lag im Juli um rund 20 Prozent unter dem langjährigen Schnitt und war damit noch schlechter als im Vorjahr, wo das Minus aufgrund geringer Zuflüsse 15 Prozent betrug.
Und zwar weil, "aufgrund der immer wieder auftretenden extrem hohen Wasserführung aus Sicherheitsgründen die Laufwasserkraftwerke am Inn außer Betrieb genommen werden mussten und damit kein Strom produziert werden konnte", erklärt die Tiwag. Die Unwetter brachten also mehr Wasser, als die Kraftwerke verkraften konnten.
200-jähriges Hochwasser
Beim Verbund, Österreichs größtem Energieunternehmen, das 22 Speicher- und 92 Laufkraftwerke im ganzen Land betreibt, hat man auch mit dem Klimawandel zu kämpfen, wie bestätigt wird: "Vermehrt sehen wir regionale Extremwetterereignisse wie zum Beispiel zuletzt in der Steiermark."
Im Süden Österreichs haben sich zuletzt mehrfach schwere Unwetter ereignet. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli verzeichneten die Speicherkraftwerke der steirischen Teigitschgruppe "die heftigsten Regenfälle seit Beginn der Aufzeichnungen. Im Bereich St. Martin kam es zu einem 200-jährigen Hochwasserereignis", so der Verbund.
In Summe haben sich die Niederschläge aber im ersten Halbjahr 2024 beim Verbund positiv auf die Erzeugungswerte aus Wasserkraft ausgewirkt. Bei den Laufkraftwerken wurde um 17 Prozent mehr Strom als im trockenen 2023 produziert, aber auch um 12 Prozent mehr als im langjährigen Schnitt.
Donau-Kraftwerke lieferten ab
Speziell an der Donau, wo die leistungsstärksten Laufkraftwerke Österreichs stehen, haben jene in Niederösterreich im ersten Halbjahr gegenüber einem Regeljahr "eine beträchtliche Mehrerzeugung von 8,6 Prozent" gebracht.
Wie sich geringe Niederschläge auf Österreichs Wasserkraft - die wichtigste Säule der heimischen Stromproduktion - auswirken können, haben hingegen die vergangenen beiden Jahren eindrücklich vor Augen geführt.
Die langen Dürreperioden im Sommer 2023 haben zu einem Absinken der wassergetriebenen Energieerzeugung geführt - in manchen Regionen phasenweise um bis zu 50 Prozent. Im trockenen Juli 2022 machte der Rückgang in Summe 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Die Folge: Ein historisches Hoch bei den Stromimporten.
Schon damals meinte Gerhard Christiner, technischer Vorstand des Netzbetreibers APG (Austrian Power Grid): „Extremwetterereignisse machen uns zunehmend zu schaffen.“
Mehr Strom als je zuvor aus Laufkraftwerken
Heuer geht die Kurve in die andere Richtung. Die Wasserführung der Donau befinde sich etwa auf einem „All-time-high“, heißt es von der APG, die für den KURIER ausgewertet hat, wie viel Strom in Österreich diesem Jahr bisher aus Laufkraftwerken eingespeist wurde.
„Wie aus den Daten hervorgeht, haben wir im Jahr 2024 im Juli, wie auch von Jänner bis Juli, die höchste Einspeisung aus Laufkraftwerken seit 2017“, erklärt APG-Sprecherin Carolina Burger.
Da erst seit 2017 im Detail aufgezeichnet und ausgewertet wird, aus welchen Energiequellen welche Strommengen ins heimische Netz gespeist werden, ist das ein Rekord.
Im ersten Halbjahr kamen demnach 20.354 Gigawattstunden Strom aus Laufkraftwerken, der Schnitt liegt bei 16.769 GWh. Laut vorläufigen Daten brachte der Juli weitere 3.245 GWh - ein Wert, der ebenfalls klar über dem bisherigen Durchschnitt (2.622 GWh) liegt.
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