Weinköniginnen und Kreisverkehre: So tickt Niederösterreich
Es ist schon ein paar Jahrzehnte her, da wollte der bekannte Schriftsteller Alfred Komarek der Stadt entfliehen. Zuflucht fand er im Pulkautal im Weinviertel, wo er später auch seine Romanfigur Simon Polt ermitteln ließ. Die Gegend beschreibt Komarek so: „Es ist eine unglaubliche Landschaft, drei Viertel davon ist Himmel, der die Stimmung hier dauernd verändert. Man navigiert wie auf hoher See zwischen leichtem Gewoge.“
So lässt sich das Bundesland Niederösterreich, das mit einer Fläche von mehr als 19.000 Quadratkilometern tatsächlich ein weites Land ist, auch beschreiben. Auf der anderen Seite sind Städte wie St. Pölten, Wr. Neustadt, Klosterneuburg, Traiskirchen und Schwechat zum Teil stark gewachsen, immer mehr Menschen zieht es in die Ballungszentren.
Umgelegt auf den heutigen Gebietsstand ist die Bevölkerungszahl von 1,4 Millionen im Jahr 1923 auf knapp 1,7 Millionen im Jahr 2022 angestiegen – das entspricht einer Zunahme von mehr als 19 Prozent.
Der KURIER hat sich auf (eine nicht immer ganz ernst gemeinte) Spurensuche begeben, was Niederösterreich eigentlich ausmacht.
Das Wetter
Wer sich nach Sonne sehnt, der sollte Hohenau an der March im Bezirk Gänserndorf aufsuchen. Mit 2.041 Sonnenscheinstunden im Jahr 2021 liegt die Marktgemeinde auf Platz eins, auch in Mönichkirchen im Bezirk Neunkirchen ist die Chance auf schönes Wetter groß. Spitzenreiter bei den trüben Tagen (157) ist hingegen die Landeshauptstadt St. Pölten, die damit sogar Zwettl im Waldviertel locker abhängt. In St. Pölten ist es übrigens auch recht oft windig.
Kreisverkehre
Wer nach Tulln will, der dreht sich im Kreis. 27 Kreisverkehre wurden hier in 27 Jahren errichtet, landesweit sind es genau 450. Den ersten Kreisel baute das Land vor rund drei Jahrzehnten in Laxenburg, zuvor trainierten Straßenplaner auf einem Rübenlagerplatz das im Kreis fahren. Zwar wird Niederösterreich immer wieder für die Vielzahl an Kreisverkehren belächelt, tatsächlich sorgen sie aber für mehr Sicherheit im Straßenverkehr. So hat sich etwa in der Kreisverkehrshochburg Tulln die Zahl der Unfälle mit Personenschaden um 45 Prozent verringert, berichtete der Bürgermeister.
Teures PflasterIn Niederösterreich leben knapp 1,7 Millionen Menschen. Wer nach einem Baugrundstück sucht, der sollte sich bewusst sein, dass die Preisunterschiede enorm sind. Während man im Bezirk Waidhofen an der Thaya im Schnitt 22 Euro pro Quadratmeter zahlt, sind es im Bezirk Mödling knackige 475 Euro. Ganz schön teuer ist es auch in Krems, Wiener Neustadt und Baden.
Edle Tropfen
60 Prozent der gesamten Weinbaufläche Österreichs sind in Niederösterreich (27.160 Hektar) zu finden, insgesamt gibt es 30 verschiedene Rebsorten. Daraus werden Weißweine gemacht, gute Rote gibt es ebenso, Sekt auch. Eine durchschnittliche Ernte beläuft sich auf etwa 1,6 Millionen Hektoliter.
Das kleinste Weinbaugebiet im Bundesland ist das Traisental im Bezirk St. Pölten. Standen die Produkte früher noch im Schatten jener aus der Wachau, hat sich die Region längst von der Konkurrenz an der Donau emanzipiert. Bekannt ist hier vor allem der Grüne Veltliner.
Wie wird man Weinkönigin?
Im April des Vorjahres wurde Sophie Hromatka zur Niederösterreichischen Weinkönigin gewählt. Sie absolviert, so wie ihre Vorgängerinnen auch, rund 200 Termine im Jahr. Aber wie wurde Sophie I. eigentlich zu dem, was sie jetzt ist? Wer sich für das Amt bewerben will, muss zuerst einen Lebenslauf inklusive Motivationsschreiben an den Weinbauverband schicken.
„Nach Einlangen aller Bewerbungen werden die Kandidatinnen zu einem ersten Kennenlernen eingeladen und auf die Wahl vorbereitet. Neben Rhetoriktraining werden auch Schulungen durchgeführt, um die Nervosität zu mindern“, heißt es dazu auf der Homepage. Eine Jury wählt schließlich die Siegerin aus.
Die Jagd
35.000 Männer und Frauen gehen im größten Bundesland der Jagd nach. Sie schossen im Jahr 2020 knapp 21.000 Füchse, 39.454 Hasen und mehr als 81.700 Rehe. Die Jagd ist in Niederösterreich übrigens längst nicht mehr nur reine Männersache. Schon jeder zehnte Jäger in Niederösterreich ist eine Frau, auch der Vorstand wird weiblicher, heißt es.
Wie viel Niederösterreich steckt in der Bundesregierung?
Die Antwort fällt recht eindeutig aus: viel. Die ehemalige Bauernbund-Direktorin und aktuelle Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ist in der Ortschaft Perwarth im Mostviertel aufgewachsen, lebt heute in Randegg. Ein echter Niederösterreicher ist auch Innenminister Gerhard Karner, der in Melk zur Welt kam.
Weniger bekannt in der Öffentlichkeit ist Andrea Mayer, Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Sie wurde 1962 in Amstetten geboren, wo sie auch ins Gymnasium ging. Seit Mai 2022 ist Susanne Kraus-Winkler als Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort tätig. Sie stammt aus Groß-Enzersdorf.
Bundeskanzler Karl Nehammer, der oft als Niederösterreicher bezeichnet wird, wurde in Wien geboren, er lebt auch in Hietzing. Sein Elternhaus aber befindet sich in Klosterneuburg (NÖ). Seine ersten politischen Schritte absolvierte er ebenfalls in Niederösterreich.
Das Wachauerlaberl
Zugegeben: So eine weltbekannte Speise wie die Salzburger Nockerl gibt es hierzulande nicht, aber ein gespickter Most-Surbraten ist ja auch nichts Schlechtes. Wer jedoch gerne zum Heurigen geht, der kennt mit Sicherheit das Wachauerlaberl. 1905 von Rudolf Schmidl, einem Bäcker aus Dürnstein in der Wachau erfunden, wird es mittlerweile sogar in einigen Supermärkten geführt. Die Bezeichnung „Schmidls Original Wachauer Laberl“ ist seit 2016 auch als Wortmarke geschützt.
Das Rezept und die Herstellung der Laberl sind kein Geheimnis: Die von Hand gefertigten Wachauer werden durch kreisförmige Bewegungen auf einem Leinentuch geformt. So entsteht die für das Gebäck typisch rissige Oberfläche nach dem Backen. Hauptzutaten sind Weizen- und Roggenmehl, wobei ein Teil des Mehls für den Sauerteig verwendet wird.
Lieblingsautos
Geht es nach der Statistik des Landes, dann fahren die Niederösterreicher auf Volkswagen ab. Der Pkw-Bestand wurde im Jahr 2021 mit mehr als 1,1 Millionen angegeben, 75.592-mal fiel die Entscheidung auf einen VW Golf, 30.909-mal auf einen VW Polo. Auf Platz drei folgt der Skoda Octavia.
Leider verzeichnet das größte Bundesland Jahr für Jahr auch viele Verkehrsunfälle, bei denen Menschen verletzt werden. 6.279 waren es im Jahr 2021. Zum Vergleich: Das Burgenland kam in diesem Zeitraum auf 752.
Natur
Wussten Sie, dass es in Niederösterreich einen Urwald gibt? Tatsächlich zählt das Wildnisgebiet Dürrenstein, das direkt an die Steiermark grenzt, zu den größten Urwäldern Mitteleuropas. Im Juli 2017 wurde es zum UNESCO-Weltnaturerbe erhoben. Vom Alpensalamander über den Habichtskauz, den Luchs bis zum Steinadler leben zahlreiche alpine Arten in diesem Schutzgebiet. Menschen haben nur im Rahmen geführter Themenwanderungen und auf markierten Steigen und Wanderwegen Zutritt.
Wenn wir gerade bei Superlativen sind: In der Seegrotte in Hinterbrühl befindet sich 60 Meter unter der Erdoberfläche der größte unterirdische See Europas. Der See hat einen Zufluss aus sieben unterirdischen Quellen, aber keinen natürlichen Abfluss. Bereits mehr als 20 Millionen Gäste haben das ehemalige Gipsbergwerk vor den Toren Wiens schon besucht.
Ein echter Touristenmagnet ist auch das Stift Melk. Mehr als 500.000 Gäste pilgern jährlich in das Gotteshaus.
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