Die Corona-Krise bringt ÖsterreichsMuslime zum Teil in arge Bedrängnis. Denn infolge der Ausgangsbeschränkungen sowie des Veranstaltungsverbots steht bis zu ein Drittel der bundesweit 350 Moscheegemeinden vor dem finanziellen Kollaps.
Vor allem kleinere Gebetsstätten könnten bald den Betrieb einstellen müssen, befürchtet man bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). Unter dem Motto "Rettet unsere Moscheen" ruft man die Gläubigen jetzt daher zum Crowdfunding auf.
Kein Freitagsgebet, keine Spenden
Das Problem sei ohnehin bereits akut, berichtet IGGÖ-Sprecherin Valerie Mussa. Weil die Moscheen (genau wie alle Kirchen oder Synagogen) zurzeit geschlossen sind und weil es bei den Muslimen kein Äquivalent zum Kirchenbeitrag gibt, fallen die Gemeinden um ihre Haupteinnahmequelle um: die Spenden beim Freitagsgebet. Zudem entfallen aktuell Einnahmen aus den Gastronomieangeboten der Moscheen.
Da nur die wenigsten Moscheevereine Eigentümer ihrer Räumlichkeiten sind, müssen in den meisten Fällen trotzdem Mieten weitergezahlt werden. Dazu kommen Betriebs- und Personalkosten. Und gegebenenfalls Kreditraten – etwa wenn Um- oder Ausbauten in Angriff genommen wurden.
Faktor Ramadan
Das Problem dürfte sich nun aber noch weiter verschärfen. Und zwar im Ramadan, der am 23. April beginnt und 30 Tage dauert.
Der Fastenmonat der Muslime ist für Moscheegemeinden nämlich nicht nur spirituell von besonderer Bedeutung, sondern auch wirtschaftlich: Während dieser Zeit gehen mehr Leute in die Moschee als sonst – und sie zeigen sich tendenziell spendabler als üblich. Heuer fällt dieser finanzielle Turbo wegen der Ausgangsbeschränkungen ersatzlos weg.
Das ist zwar ein generelles Problem. Mitgliederstarke Kultusgemeinden wie die türkisch-islamische Union Atib mit 65 Moscheen, die Islamische Föderation mit 50 oder die Türkische Föderation mit 20, können die finanziellen Ausfälle zum Teil aber über interne Spendenaufrufe abfedern.
Österreichs größte Moschee ist ohnehin nicht betroffen: Das Islamische Zentrum am Floridsdorfer Bruckhaufen gehört nicht zur IGGÖ, sondern einer gut dotierten privaten Stiftung.
Präsident fordert Solidarität ein
Ganz anders sieht es (insbesondere in ländlichen Gegenden) bei zahlreichen kleinen Moscheevereinen aus, die nur ein paar Dutzend Mitglieder haben und über keinerlei Rücklagen verfügen. Diesen müsse man nun unter die Arme greifen, heißt es bei der Glaubensgemeinschaft.
„Es ist unsere Verantwortung, unseren Moscheen durch die Krisenzeit hindurch beizustehen“, pocht IGGÖ-Präsident Ümit Vural auf innermuslimische Solidarität. Für Gläubige sei es nicht zuletzt „eine Pflicht unseren Großeltern und Eltern gegenüber, die Moscheen, die diese mit großer Mühe, bescheidenen Mitteln und teilweise mit ihren eigenen Händen aufgebaut haben, zu retten“.
Laut Vural ist etwa ein Drittel der Moscheegemeinden von der Schließung bedroht.
Kurzarbeit
Um die wirtschaftlichen Defizite zu kompensieren, haben nun sowohl die IGGÖ selbst als auch mehrere Kultusgemeinden um Kurzarbeit und Mietzinsreduktion angesucht. Ob Moscheevereine zudem auf Mittel aus dem Härtefallfonds der Bundesregierung hoffen dürfen, sei noch unklar, sagt IGGÖ-Sprecherin Mussa.
Um eine Finanzspritze in Zeiten der Krise habe man den Bund jedenfalls nicht gebeten. Man bekäme wahrscheinlich ohnehin keine, mutmaßt so mancher in der Glaubensgemeinschaft hinter vorgehaltener Hand.
Online-Seelsorge
Um dem Seelsorgeauftrag auch während der Ausgangsbeschränkungen nachkommen zu können, setzt die IGGÖ (wie andere Religionsgesellschaften) zurzeit auf Youtube, Facebook und Co. Auf Initiative der Islamischen Religionsgemeinde Oberösterreich wurde zudem vor wenigen Tagen die Homepage www.netzwerk-islam.at installiert, auf der von Moscheevereinen hochgeladene Predigten und diverse Online-Kurse abgerufen werden können.
Vor einem Sonderproblem steht übrigens Atib, die Kultusgemeinde mit den meisten Mitgliedern. Wegen des Verbots der Auslandsfinanzierung hat mittlerweile die Hälfte der 65 Moscheen keinen Imam mehr.
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