Warum fast keine Gemeinde eigene Impfkampagnen startet
Mit Donnerstag sollten in Graz die ersten Plakate, mit denen vor dem nahenden Herbst die Impfung beworben wird, im öffentlichen Raum platziert werden. Im Zentrum waren sie noch nicht zu finden. Die Sujets sind provokant. Und auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es um eine Kampagne gegen Fakenews geht.
„Die Impfung wirkt nicht“ prangt groß auf einem Plakatmotiv, darunter steht klein „gegen Fehlinformation“. Tatsächlich versucht die Landeshauptstadt ihre Bürger zu motivieren, vor einer möglichen Corona-Winterwelle Impfschutz aufzubauen.
Die Mittel für die Kampagne, die nicht nur aus Plakaten besteht, kommen aus einem mit 75 Millionen Euro gefüllten Bundestopf. Je nach Einwohnerzahl haben alle Gemeinden in Österreich dafür Mittel in unterschiedlicher Größenordnung erhalten - in Graz sind das 2,7 Millionen Euro.
Doch bislang hält sich die Begeisterung in den Kommunen über den Geldsegen in Grenzen. Graz ist mit seiner Kampagne vorerst nahezu allein auf weiter Flur, wie ein Rundruf des KURIER zeigt. Grundtenor in den meisten Gemeinden: In Zeiten der Teuerung wäre das Geld in Maßnahmen dagegen besser investiert.
"Impfen wie der Erzbischof"
In der Landeshauptstadt Salzburg ist hingegen gerade eine Impfkampagne in Vorbereitung, die mit Schulbeginn in zwei Wochen starten soll. Vorerst gibt es nur ein paar schräge Ideen, wie den Salzburgern der Stich schmackhaft gemacht werden soll.
Ärzte könnten etwa in barocken Kostümen zu „Impfen wie der Erzbischof“ einladen. Anlass dafür soll das Fest „100 Jahre Schloss Hellbrunn bei der Stadt“ sein, heißt es. Die zwei Hauptzielgruppen sind die Jugend unter 25 und die 60plus-Bevölkerung. Dementsprechend werden auch die Kanäle von digital bis zu klassisch mit Info-Flyern oder Plakaten ausgewählt.
18 Millionen für Wien
In Wien hat man bereits begonnen, die beachtlichen Mittel des Bundes - die Hauptstadt erhält 18 Millionen Euro aus dem Kommunen-Topf - einzusetzen:
In einer ersten Phase wurden aufwendig gestaltete Advertorials in Print- und Onlinemedien geschalten, die mit Basisinfos (Wie gut schützt die Impfung? Wo kann ich mich anmelden? etc.) die Bevölkerung wieder an das zuletzt eher in den Hintergrund geratene Thema Impfen heranführen soll.
In einer zweiten Phase ab Anfang September wird mit speziellen Werbesujets gezielt für die vierte Impfung Stimmung gemacht. Im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) rechnet man damit, dass man potenziell bis zu 45 Prozent der Bevölkerung für die Auffrischung gewinnen kann.
Über 2.000 unterschiedliche Kampagnen?
Besonders glücklich ist man trotz der Aktivitäten mit dem unverhofften Geldsegen in Wien aber nicht: „Die Erfahrungen aus der Pandemie zeigen, dass es nicht besonders schlau ist, nicht mit einer Stimme zu sprechen“, verweist ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) auf die potenziell mehr als 2.000 unterschiedlichen Kampagnen in den Kommunen.
Überdies gebe es ja noch eine eigene millionenschwere Werbekampagne des Bundes. Man habe, so der Sprecher, im Vorfeld versucht, zumindest auf Länderebene eine Akkordierung zustande zu bringen, dies sei jedoch gescheitert.
Die Ausschüttung der beachtlichen Summe von insgesamt 75 Millionen Euro an die Gemeinden ist noch ein Relikt aus der Impfpflicht, die bekanntlich abgeschafft wurde, bevor sie überhaupt umgesetzt werden konnte. Nicht nur vor diesem Hintergrund wird von vielen Bürgermeistern die Sinnfrage gestellt. Und zwar unabhängig von der Parteizugehörigkeit.
In der Tiroler Bezirkshauptstadt Kufstein wurden etwa alle Einwohner, denen der vierte Stich empfohlen wird, persönlich angeschrieben, erzählt Bürgermeister Martin Krumschnabel von den "Parteifreien". "Wir haben 165.000 Euro erhalten. Mit einer reinen Impfkampagne werden wir das Geld vermutlich gar nicht loswerden, vielleicht zehn Prozent. Das ist vielleicht schon ein bisschen übertrieben."
Für soziale Zwecke
In der Stadt Hall nahe Innsbruck würden Impfstationen eingerichtet und mit Anzeigen beworben. "Aber wir machen keine eigene Impfkampagne", sagt Bürgermeister Christian Margreiter von der bürgerlichen aber parteiunabhängigen Liste "Für Hall". Ihm wäre lieber, "wenn wir das Geld für soziale Zwecke verwenden könnten".
Diese Argumentation ist quer durch Österreich zu hören. Auslöser der Debatte, war ein Streit in Innsbruck. Hier wollte Bürgermeister Georg Willi (Grüne) die Kampagne in Auftrag geben. Auf Antrag der FPÖ erhielt er jedoch von einer Mehrheit im Stadtsenat den Auftrag, bei Finanzminister Magnus Brunner (VP) anzufragen, ob die Impf-Mittel auch für Maßnahmen gegen die Teuerung verwendet werden können.
Diese Antwort, die Willi bis Ende August eingefordert hat, ist noch ausständig, wie es aus seinem Büro heißt. Und diese Antwort wird auch in anderen Bundesländern heiß erwartet.
"In Oberösterreich sind die Gemeinden noch sehr zurückhaltend, was diese Impfkampagnen betrifft. Sie hoffen, dass sie die Mittel für Maßnahmen gegen die Teuerung verwenden können", sagt OÖ-Gemeindebundpräsident Hans Hingsamer.
Im Salzburger Gemeindeverband ist man ebenfalls mehr als zurückhaltend. Günther Mitterer, Obmann und Ortschef in St. Johann im Pongau: „Die Gemeinden wissen nicht, wie sie das Geld konkret verwenden sollen. Es gibt ja ohnehin noch eine Kampagne direkt vom Bund.“
Dass die Landeshauptstadt hier gegen den Trend schwimmt, erklärt VP-Bürgermeister Harald Preuner so: „Wir geben ja kein eigenes Geld aus, sondern brechen die Botschaft auf lokale Ebene runter.“ Er will einen Beitrag leisten, möglichst viele Salzburger für eine Impfung zu motivieren. Selbst holt er sich Ende August den vierten Stich.
Doch abseits der Frage, ob die Millionen nicht anderweitig besser eingesetzt werden, gibt es noch anderen Bedenken. Ein Kritikpunkt aus Wien lautet etwa:
Bis Jahresende müssen die einzelnen Projekte mit dem Bund abgerechnet werden. „Damit sich das ausgeht, müssen wir unsere Abrechnung bereits im November machen“, sagt der Sprecher. Dabei wäre es viel sinnvoller, die Kampagne zumindest bis in den Februar laufen zu lassen, weil da erfahrungsgemäß mit der nächsten Infektionswelle zu rechnen sei.
Geld wäre ja vorhanden: „Wir könnten die ganzen 18 Millionen Euro aufbrauchen“, sagt der Sprecher. „Aber das ist nicht unser Ziel.“
"Tropfen auf den heißen Stein"
Intensiv diskutiert wird das Thema aber auch innerhalb des Städtebundes, berichtet Vorsitzender Matthias Stadler, der auch Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten ist.
"Ich kann den Innsbrucker Vorstoß gut nachvollziehen und bin auf die Antwort aus dem Ministerium gespannt. Allerdings braucht es im Kampf gegen die Teuerung eine deutliche Entlastung der unter Druck gekommenen Haushalte – der bereitgestellte Budgettopf wäre hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Stadler zum KURIER. In der Frage stehe man derzeit jedenfalls in einem sehr angeregten Austausch mit den Städten in Gemeinden.
Kommentare