Warum ein Österreicher Seegras retten will

Warum ein Österreicher Seegras retten will
Der Ökologe Manuel Marinelli segelt seit viereinhalb Jahren über das Mittelmeer. Sein Ziel: Das Meer bewahren.

Magst du Seepferdchen?“, fragt Manuel Marinelli. Was für eine Frage. Wer mag die nicht.

So oder so ähnlich beginnt der Kärntner Meeresbiologe und Ökologe, den Menschen seine Arbeit zu erklären. Seepferdchen leben in Seegraswiesen, die im Mittelmeer immer weniger werden. Also werden die Seepferdchen weniger.

Marinelli ist seit viereinhalb Jahren mit seiner Segeljacht Independence auf dem Mittelmeer unterwegs. Sie ist ein 13 Meter langes Forschungsschiff, auf dem einige Projekte laufen. 2015 hat er das „Project Manaia“ begründet, eine NGO (Non Profit Organisation) zum Schutz des Meeres. Wissenschaftler können die Jacht nutzen.

Warum ein Österreicher Seegras retten will

Die Besatzung untersucht Arten, die erst seit Kurzem im Mittelmeer zu finden sind, sie gibt Workshops zum Thema Vermeidung von Plastikmüll im Meer – und sie bewahrt das Seegras. Warum Letzteres? „Es ist der Lebensraum schlechthin im Mittelmeer“, sagt Marinelli, der derzeit in Italien ist. Der Bedeutung sind sich viele nicht bewusst. In Seegraswiesen wächst der Fischnachwuchs heran. Seegras stabilisiert Böden und schützt vor Erosion an den Küsten. Es verbessert die Wasserqualität und speichert CO2, mehr als Wald.

„Blue Carbon“ wird diese hohe Klimaschutzleistung von Seegras, Mangroven, Salzwiesen und Algen genannt. Gesunde Meere können dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern.

Die Vermessung der Wiese

Aber zurück ins Mittelmeer. Marinelli erhebt, wie es hier um die Seegraswiesen bestellt ist, wie sie sich verändern. Die Vermessung ist viel Kleinarbeit. „Wir springen ins Wasser und schauen, wo sie beginnen und wo sie aufhören.“ Koordinaten werden genau festgehalten. Die Forscher tauchen nicht nur ab. Sie nehmen auch die Vogelperspektive ein. Mit Drohnen werden die Daten erhoben. Die Ausbreitung ist aus der Luft – bei klarem Wasser – gut zu sehen.

Warum ein Österreicher Seegras retten will

Seegraswiesen bieten vielen Arten Schutz. Sie dienen als Kinderstuben für Fische. Auch  für
Seepferdchen sind sie wichtig, sie halten sich an den Pflanzen fest

1 Hektar Seegraswiese kann 350 verschiedene Organismen beheimaten, wie etwa die Große Steckmuschel

Seegras stabilisiert den Meerboden. Es reinigt das Meer und filtert Schwebstoffe aus dem Wasser,  über Seebälle (Bild oben) kann auch Mikroplastik an die Strände zurückgespült  werden

Das Bild, das sich bietet, ist nicht schön. „Seegras geht massiv zurück“, erklärt der Meeresbiologe. Zu schaffen machen den Wiesen Wassererwärmung und Schäden, die in touristischen Gebieten durchs Ankern entstehen. Aus dem Roten Meer wandern über den Suezkanal zudem invasive Großalgen ein.

Überhaupt beginnen invasive Arten im Mittelmeer – etwa 1.000 an der Zahl – massiv, heimische zu verdrängen. Sie schädigen das Ökosystem. Rotfeuerfische seien unglaublich effiziente Eindringlinge. Sie können 65 Prozent der Fischarten auf einem Riff beseitigen. Innerhalb kürzester Zeit. „Ich finde es spannend zuzusehen, aber auch wahnsinnig erschreckend“, erklärt Marinelli. Er arbeitet mit Tauchschulen zusammen und mit lokalen Fischern. Sie stellen als erste die Veränderungen fest und können auch etwas unternehmen. Den Rotfeuerfisch auf die Speisekarten zu bekommen – er soll sehr gut schmecken – könnte eine der Strategien zu dessen Bekämpfung sein.

Man sei schon spät dran, sagt Marinelli in einem seiner Youtube-Videos. Aber es sei niemals zu spät. Bewusstseinsbildung ist einer der Schwerpunkte von „Project Manaia“.

Wie früher

Was aber treibt den Ökologen selbst an? Kindern in ein paar Jahren beim Schnorcheln noch eine Unterwasserwelt präsentieren zu können, wie sie Marinelli als Kind kennengelernt hat, ist eine der Motivationen.

Der Meeresbiologe kommt auch in österreichische Schulen, um sein Projekt vorzustellen. Denn im Winter hat die Independence Ruhepause. Im Frühjahr geht’s wieder los mit den Projekten und Erhebungen. Manchmal sind übrigens selbst für den Wissenschaftler genug Daten gesammelt. „Wir wissen, es gibt viel Mikroplastik im Meer. Die Frage ist jetzt: Wie zum Teufel kriegen wir das wieder raus?“

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