Im Haus Augarten hatte man noch Glück im Unglück. Nur ein Bewohner starb unter anderem an Covid-19. Trotzdem: „Das trifft einen schon. Es ist bedrohlich“, so Wieser.
Nun aber, da alle Heime in Österreich so gut wie durchgeimpft sind, kehrt zaghaft Erleichterung ein. Nur die Todesstatistik scheint davon unbeeindruckt. Auch zuletzt gab es täglich immer noch um die 20 Todesfälle, am Freitag sogar 33. Müsste sich die Impfung nicht langsam bemerkbar machen? Immerhin soll sie vor allem vor einem schweren Verlauf schützen. Melanie Zechmeister vom Team des Simulationsforschers Niki Popper erklärt: „Man kann aus Tageswerten schwer etwas herauslesen, weil es immer wieder Ausreißer nach oben und unten gibt.“
Zum Beispiel, weil die Bundesländer die Todeszahlen teils mit Verzögerung melden. Aber auch, weil sich Corona aufgrund der strikten Schutzmaßnahmen in Alters- und Pflegeheimen erst verspätet ausbreitet. „Als im Herbst die Zahlen nach oben gingen, dauerte es drei bis vier Wochen, bis auch die Zahlen in den Heimen gestiegen sind“, sagt Zechmeister. Und drittens setze die Immunisierung nicht sofort ein.
Betrachtet man einen längeren Zeitraum, lässt sich laut AGES durchaus ein Rückgang der Todesfälle feststellen. Der traurige Höhepunkt war kurz vor Weihnachten, als es sogar über 200 Todesfälle an einem Tag gab. Im Gesundheitsministerium führt man das auf die Corona-Impfung zurück. Zwischen Februar und März habe es eine Halbierung der aktiven Fälle gegeben, diese würden sich auch in den Todeszahlen widerspiegeln, heißt es gegenüber dem KURIER.
Experten wie Melanie Zechmeister widersprechen. Es sei zu früh, um von einem Impfeffekt zu sprechen. Der Rückgang liege vielmehr an den derzeit strengen Maßnahmen. Das betont auch die AGES. Die Todeszahlen seien bereits zurückgegangen, bevor in den Heimen großflächig geimpft wurde.
Denn: Es gibt aufgrund des langsamen Vorankommens beim Impfen immer noch viele ältere Menschen, die nicht immunisiert sind. Es sind jene, die nicht in Heimen leben. Rund 97.000 der 1,7 Millionen Über-65-Jährigen haben zwei Impfungen erhalten. Das entspricht 5,7 Prozent. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, haben erst 3,3 Prozent einen vollen Impfschutz. Von Herdenimmunität kann also noch lange keine Rede sein. „Bleibt es bei dem Tempo, dann brauchen wir vor Sommer nicht damit rechnen, dass sich die Impfung auf die Infektionszahlen auswirkt“, prognostiziert Zechmeister.
Vergangene Woche versprach Kanzler Sebastian Kurz immerhin, dass alle Über-65-Jährigen bis Ende April geimpft werden sollen. Das ermögliche der Einsatz von Astra Zeneca auch für diese Altersgruppe. Trotz Negativmeldungen setzt Österreich weiter auf den Impfstoff, da es laut Experten keinen Zusammenhang zwischen Thrombosen und dem Vakzin gibt. Hoffnung macht zudem die Zulassung des Impfstoffs von Johnson & Johnson.
Derweil aber schlittert Österreich in eine dritte Infektionswelle. Zunächst wurde der Anstieg auf die vermehrten Testungen zurückgeführt. Doch ein Blick auf die Intensivstationen zeigt, dass das Infektionsgeschehen mittlerweile tatsächlich in die Höhe geht. Die Auslastung ist zuletzt um 23 Prozent gestiegen. Und steigt diese Zahl, werden auch die Todesfälle steigen, heißt es von der AGES. Diese Paarung – also ein Infektionsanstieg und die schleppenden Impfungen – ist und wird jedenfalls für manche tödlich sein.
Solange sich das nicht ändert, ändert sich auch im Alltag von Gertrud Wieser nichts. Obwohl das Haus Augarten zu 80 Prozent geimpft ist, müssen sich alle weiter an die strikten Maßnahmen halten: Maske tragen, regelmäßige Tests. Die Mutationen und die Unsicherheit, ob das Virus trotz Impfung weitergegeben werden kann, erlauben keine Lockerungen. Am schmerzvollsten seien jedoch die nach wie vor strengen Besuchsregeln und das Abstand halten, sagt sie. „Am meisten fehlen uns die Gemeinschaft und die Umarmungen.“
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