Die Gründe dafür sind vielseitig. An der Zahl der Pkw-Insassen liegt es aber jedenfalls nicht, sagt Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). „Im Schnitt fahren immer weniger Personen im Auto mit. Der Pkw-Besetzungsgrad sinkt seit Jahren.“ Saßen im Jahr 1990 noch 137 Personen in 100 Autos, sind es derzeit nur noch 114 Personen.
Weniger Kleinwagen
Zu suchen sei die Hauptverantwortung viel mehr bei den Autoherstellern, sagt Gratzer. Das Angebot, das auf den Markt kommt, bestimme die Nachfrage. Und das Angebot bewegt sich derzeit in Richtung große und starke Autos – auch weil es das Segment ist, mit dem sich am meisten verdienen lässt, sagt Gratzer. Der Anteil der Kleinwagen im Sortiment der Hersteller nehme immer weiter ab. Das zeigt auch die Zahl der Neuzulassungen: Im Jahr 2023 hatten laut VCÖ mehr als 70 Prozent der neuzugelassenen Pkw mehr als 105 PS. Nur 8,5 Prozent hatten weniger als 82 PS.
Aber auch im Durchschnitt werden die Autos in Österreich immer stärker. Laut Statistik Austria hatten die neuzugelassenen Pkw im Jahr 2012 noch rund 20 PS weniger als 2023. Interessant dabei sind die regionalen Unterschiede: Im Bundesländervergleich hat Wien mit 144 PS die viertstärksten Autos. Und liegt damit vor Kärnten und Oberösterreich (siehe Grafik). Stellt sich also die Frage: Warum haben gerade die Wienerinnen und Wiener so starke Autos?
„Zwei Drittel aller Neuwagen wird auf Firmen und juristische Personen angemeldet“, sagt Gratzer. Viele davon gibt es in Wien. Private Haushalte kaufen dagegen hauptsächlich auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Werden aber vor allem große und starke Autos neu zugelassen, landen in Folge auch immer mehr große Autos auf dem Gebrauchtwagenmarkt.
Junge Männer
Verkehrspsychologe Rainer Christ sieht aber auch in den demografischen Daten Gründe dafür, dass es in der Stadt viele große und starke Autos gibt. „In Wien gibt es ein größeres Segment an gut verdienenden Personen als im ländlichen Raum. Leute, die sich das größere Modell leisten können, erwerben es auch“, sagt Christ. Außerdem gebe es in der Stadt eine größere Raserszene. „Dort, wo es viele junge Männer gibt, gibt es auch starke Autos.“
Einen Nutzen stiften diese neuen Autos laut Christ aber nicht. Neben der Tatsache, dass die Autos nun deutlich mehr Platz benötigen und die Stellplätze deswegen zu klein werden, steige auch das Risiko, dass Geschwindigkeiten unterschätzt werden. „Die Modelle bewegen sich immer weiter davon weg, was die Leute, auch in Bezug auf ihre Reaktionsfähigkeit, gut einschätzen können.“ Und weiter: „Je unterschiedlicher die Fahrzeugpalette wird, umso gefährlichere Situationen entstehen.“
Ein Beispiel aus dem städtischen Bereich verdeutlicht das: Trifft ein Auto mit 150 PS auf einen Radfahrer, ist das Risiko für Missverständnisse besonders groß. „Machen hingegen alle ähnliche Erfahrungen, können Verkehrsteilnehmer das Verhalten ihres Gegenübers besser einschätzen“, sagt Christ. Dazu komme, dass es ökologisch gesehen „überhaupt kein Argument“ für die Entwicklung hin zu großen, starken Autos gebe.
Vorgaben gefordert
Um diese Entwicklung hin zu immer größeren und stärkeren Autos aufzuhalten, brauche es Vorgaben auf EU-Ebene, sagt Christian Gratzer vom VCÖ. Einerseits mittels finanzieller Anreize für Firmen. Etwa steuerliche Begünstigungen für kleinere Autos. Andererseits wären aber auch Vorgaben für Hersteller notwendig, sagt Gratzer. Sinnvoll wäre etwa eine „Weights and Dimensions“-Richtlinie, wie es sie für Lkw bereits gibt. Damit könnte man die maximalen Dimensionen für Pkw festlegen.
Zu regeln wäre laut Gratzer aber auch, dass Hersteller einen bestimmten Anteil an Kleinwagen im Sortiment anbieten müssen. „Wenn es keine Kleinwagen gibt, können sie auch nicht erworben werden.“
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