Wanze im Saugroboter versteckt: Cyber-Gewalt gegen Frauen steigt
"Wo bist du? Was machst du?"
Nachrichten wie diese ploppten nahezu täglich am Handydisplay einer jungen Frau auf. Die Nachrichten stammten von ihrem Freund, mit dem sie sich eine Wohnung teilt. Sie fühlte sich bedrängt, kontrolliert, hatte aber keinen Namen für diese Form von Gewalt. Hilfe wollte sie sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht holen.
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Bis ihr auffiel, dass ihr Freund unerklärlich viel davon wusste, was sie ihren Freundinnen in Telefonaten und persönlichen Treffen anvertraute.
In einem Beratungsgespräch erörterte sie gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin alle Möglichkeiten, wie ihr Freund sie überwachen könnte. Und kam schließlich zum Schluss: Er hatte eine Wanze im Saugroboter versteckt und hörte sie auf diesem Weg ständig ab.
Kein Einzelfall, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der FH Campus Wien nun aufzeigt. Durch die zunehmende Digitalisierung häufen sich Fälle von Cyber-Gewalt gegen Frauen. Gefährder greifen immer öfter auf technische Mittel zurück, um Frauen zu kontrollieren, bloßzustellen und auf sexueller Ebene zu degradieren.
Verharmlosung
Drei Jahre lang forschten Wissenschafterinnen an der Studie "(K)ein Raum. Cyber-Gewalt gegen Frauen in (Ex-)Beziehungen". "Cyber-Gewalt wird gesellschaftlich noch sehr stark verharmlost, ist aber sehr gefährlich und kann massiv sein", sagte Magdalena Habringer, Projektleiterin der Studie sowie Forscherin und Lehrende an der FH Campus Wien.
Wie massiv zeigen Interviews mit 15 betroffenen Frauen, die im Zuge der Studie befragt worden sind. Ein Drittel gab an, mittels Stalkerware überwacht worden zu sein, also Überwachungs-Software, die für Cyberstalking verwendet wird, bestimmte Apps etwa. "Für von Cyber-Gewalt betroffene Frauen ist es schwer, einen sicheren Rückzugsort zu finden, ohne etwa auf das Smartphone oder die sozialen Medien ganz zu verzichten", sagt die Forscherin.
Gewalt im Frauenhaus
Dadurch stelle sich ein Gefühl der Ohnmacht ein. Auch wenn die Frauen sich physisch in Sicherheit befinden, etwa in einem Frauenhaus, seien sie vor der Cyber-Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners nicht sicher. "Manche Frauen hatten dann das Gefühl, niemanden mehr vertrauen zu können. Einige haben auch einen Suizidversuch hinter sich", schildert Nina Wallner, Sozialarbeiterin am Gewaltschutzzentrum Burgenland.
Besonders schwere Formen von Cyber-Gewalt treten unter anderem dann auf, wenn es sich bei den Gefährdern um Lebensgefährten oder Ex-Freund handeln würde, so ein weiteres Ergebnis der Studie.
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"Wenn der Gefährder der eigene Partner ist oder war, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er die Passwörter der Betroffenen kennt und damit Zugriff auf Geräte, Daten und Accounts hat, die eine fremde Person nicht so einfach hätte. Außerdem bestehen oft Abhängigkeiten oder es gibt gemeinsame Kinder, die eine Trennung oder die Hilfesuche erschweren“, berichtete sie.
Viele Täter würden auch die gemeinsamen Kinder instrumentalisieren, um an Informationen über das Opfer zu kommen. "Da rufen die Männer dann an und fragen die Kinder aus, wo denn die Mama sei, mit wem sie immer unterwegs sei oder auch wo denn die Mama jetzt wohne", erklärt Wallner.
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Es habe auch schon Fälle gegeben, wo Männer über die Smartwatches ihrer Kinder herausgefunden haben, wo sich die Frau aufhält. "Diese Erfahrungen sind für die Kinder dann mit viel Schmerz verbunden, weil es dauert, bis sie realisieren, dass es bei gemeinsamen Telefonaten gar nicht um ihre Bedürfnisse geht", so die Sozialarbeiterin.
Über große Technikkenntnisse verfügen die wenigsten der Täter, sagt Habringer. "Alltägliche Anwendungen reichen oft aus, um Cybergewalt ausüben zu können“, sagte die Forscherin. Als Beispiel nannte sie den Fall eine Frau, bei der der Gefährder ein Profil bei einem Escort-Service im Namen der Frau erstellt und sexuelle Dienstleistungen angeboten hat. Die Frau wusste lange nicht, warum sie so viele Nachrichten erhielt.
Cybermobbing ist gekennzeichnet durch
- das Vorliegen einer bewussten aggressiven Handlung durch neuen Medien,
- das wiederholte Vorkommen und
- das Machtungleichgewicht zwischen den Beteiligten
Cybermobbing als Straftat
Für "fortdauernde Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems" sieht das StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen vor
Die Studie zeigte außerdem ein ganz anderes Problem - nämlich auf gesellschaftlicher Ebene. Vielen betroffenen Frauen, Angehörigen, aber auch Polizisten oder Gerichten ist nicht klar, in welchen Fällen es sich tatsächlich um Cyber-Gewalt handelt.
"Oftmals kommen Frauen nur mit einer diffusen Wahrnehmung oder Vermutung in die Beratung und können Cyber-Gewalt noch gar nicht so benennen“, sagte Wallner. Auch viele Institutionen, wie Polizei und Gerichte, erkennen Fälle von Cyber-Gewalt noch viel zu selten.
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Um den technologischen Entwicklungen begegnen und Cyber-Gewalt entsprechend ahnden zu können, wären sowohl zusätzlicher IT-Support als auch verstärkte personelle Ressourcen sowie konkrete Schulungen bei Institutionen wie Staatsanwaltschaften und Polizei notwendig. "Die Beweissicherung bei Cyber-Gewalt ist herausfordernd und zeitaufwendig. Digitale Übergriffe sind mitunter schwer fassbar und vielschichtig", berichtete Wallner.
Besonders wichtig seien einerseits die Vernetzung zwischen den zuständigen Institutionen, um einen gemeinsamen Umgang mit der Cyber-Gewalt im Beziehungskontext zu finden und andererseits der gesellschaftliche Diskurs, um Bewusstsein für das Thema zu schaffen.
Analysiert wurden für die Studie auch Cyber-Mobbing-Anzeigen. Demnach wurden 47 Prozent der untersuchten Cyber-Mobbing-Anzeigen von Frauen gegen ihren (Ex-)Partner eingebracht wurden. Der Großteil dieser Frauen zeigte zusätzlich weitere Delikte, wie etwa gefährliche Drohungen, an.
Notrufe:
Der Frauennotruf ist rund um die Uhr unter 01 71719 und der Frauenhaus-Notruf unter 057722, ebenfalls rund um die Uhr.
Betroffene Frauen können sich auch an die Gewaltschutzzentren wenden. Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren ist unter 0800-700-217 erreichbar.
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