Wahlerfolg der KPÖ ist auch "Signal in Richtung Wien"
„Niemand hätte sich in den bösesten Träumen so ein Ergebnis vorgestellt“, resümiert der neue Grazer ÖVP-Chef, Kurt Hohensinner. Allerdings war der Albtraum der Schwarzen auch nicht gerade ein Wunschtraum der Tiefroten: Stimmenzuwächse und die zwei Sitze in der Stadtregierung halten, das waren die erklärten Ziele der KPÖ – aber das Bürgermeisteramt übernehmen? Das stehe nicht „in ihrer Lebensplanung“, entschlüpfte Elke Kahr Sonntagabend perplex ein erster Kommentar.
Die Obfrau der Kommunisten hat sich rasch gefangen und freundet sich zunehmend mit dem Gedanken an, tatsächlich Bürgermeisterin zu werden. „Die Menschen da draußen wollen das so“, begründet sie. 28,8 Prozent der Wählerstimmen entfielen am Sonntag auf ihre Partei, die die ÖVP mit nur noch 25,9 Prozent auf den zweiten Platz verwies.
Wer nach einem Wahlmotiv sucht, kommt an der Person Kahr nicht vorbei: Die knapp 60-Jährige erhielt 5.306 Vorzugsstimmen - das ist Rekord an diesem Wahltag und macht ein knappes Sechstel der KPÖ-Stimmen überhaupt aus. Siegfried Nagl, der nach 18 Jahren als Bürgermeister noch am Wahlabend zurücktrat, erhielt 2.615 Vorzugsstimmen, die zweite Wahlsiegerin, Judith Schwentner von den Grünen, 1.841.
Der kommunistische Wahlerfolg breitete sich auf die Bezirke heruntergebrochen nicht über ganz Graz aus, aber eines ist auffällig: Die Kommunisten haben just auch in teureren Wohngegenden die Nase vorn, allen voran in der noblen Innenstadt. Sie füllten dazu auch die Lücke, die die schwache SPÖ in den früheren Arbeiterbezirken hinterließ, und schafften es, in den Bezirken mit hohem Migrantenanteil zu reüssieren. Hier hat das Kernthema der KPÖ – leistbares Wohnen – gegriffen.
Konservative Protestwähler
Doch die KPÖ drang auch in christlichsoziale Wählerschichten vor, wie Christoph Haselmayer vom „Institut für Demoskopie und Datenanalyse“ herausfand: „Sie haben die Kommunisten aus Protest gewählt.“ Dabei handle es sich um „klassische Schwarz-Wähler, die mit Caritas oder Diakonie sympathisieren und konservativ sind“, meint Haselmayer, aber mit der neuen türkisen ÖVP wenig anfingen. Auch wenn Graz mit seinem Parteienspektrum ein Sonderfall sei: „Das ist schon ein bisschen Denkzettel und Signal in Richtung Wien und Bundespartei.“
Die Grazer ÖVP muss indes ihren Denkzettel (minus 11,9 Prozentpunkte) erst verarbeiten, die KPÖ indes Verhandlungen beginnen und Posten besetzen: Dritter Stadtrat neben Elke Kahr und Robert Krotzer wird Manfred Eber, bisher Klubobmann. Somit hat die KPÖ die Diskussion abgedreht, wonach sie der SPÖ im Abtausch gegen deren Zustimmung bei der Wahl Elke Kahrs zur Stadtchefin einen Regierungssitz überlassen könnte.
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