Richtungswechsel: Was sich unter Schwarz-Blau in Vorarlberg ändert

Richtungswechsel: Was sich unter Schwarz-Blau in Vorarlberg ändert
ÖVP und FPÖ fahren vor allem bei Großprojekten sowie bei Asyl- und Familienpolitik anderen Kurs.

Der Ton zwischen ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner und dem bisherigen Oppositionsführer Christof Bitschi (FPÖ) war in den vergangenen Jahren ein rauer.

Am Dienstag präsentierten sie im Landhaus in Bregenz gemeinsam ihr in den vergangenen Wochen ausgehandeltes Koalitionsprogramm für die kommenden fünf Jahre.

Rückspiegel eingepackt

Dass beide in den Verhandlungen ob der früheren Animositäten über ihren Schatten springen mussten, gesteht Wallner auf Nachfrage ein.

Richtungswechsel: Was sich unter Schwarz-Blau in Vorarlberg ändert

Es habe geheißen: "Den Rückspiegel wieder einpacken." Ansonsten wäre es nicht so einfach gewesen. "Ich war damals Oppositionschef", sieht Bitschi die Auseinandersetzungen im Kontext der bisherigen Rollenaufteilung der beiden Parteichefs.

Wenn am Mittwoch die schwarz-blaue Landesregierung angelobt wird, ist Schwarz-Grün nach 10 Jahren Geschichte. Der Landeshauptmann war hörbar darum bemüht, zu zeigen, dass sich nicht alles radikal ändern wird.

Manche hätten im Vorfeld der Koalitionsbildung mit der FPÖ gemeint, "es gibt dann keinen Klimaschutz mehr. Genau das Gegenteilt passiert."

Wasserkraft und Photovoltaik würden weiter ausgebaut. An den Zielen, Strom bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen und bis 2050 Energieautonomie zu erreichen, werde weiter festgehalten.

Und auch beim Thema Verkehr abseits der Straße versprach Wallner Kontinuität: "Die öffentlichen Verkehrsmittel werden weiter ausgebaut werden müssen." Das gelte auch für das Radwegenetz.

Dazu bekannte sich auch Bitschi, der künftig das Verkehrsressort übernehmen wird, das bisher die Grünen verantwortet haben. Er stellte aber auch gleich klar: "Großprojekte stehen bei uns nicht zur Diskussion." 

Gemeint ist dabei nicht zuletzt der zwischen ÖVP und Grünen stets umstrittene Bau der S18 - einer Verbindung der Autobahn im Rheintal mit jener in der Schweiz.

Als zweites FPÖ-Regierungsmitglied wird der langjährige Landtagsabgeordnete Daniel Allgäuer unter anderem die Ressorts Sicherheit und Integration und somit auch die Themen Asyl und Grundversorgung übernehmen.

Warum die Freiheitlichen angesichts der neuen Stärkeverhältnisse nicht einen weiteren Landesrat stellen werden, erklärte Bitschi so: "Mir ging es um dieses Gesamtpaket." Die FPÖ habe zudem bei den Ressorts "die zentralen Bereiche, die wir wollten."

Entschädigt wurde der FPÖ-Landesobmann, der auch für die Familienpolitik verantwortlich sein wird, gewissermaßen mit der Funktion des Landesstatthalters - also des Stellvertreters des Landeshauptmanns. 

Richtungswechsel: Was sich unter Schwarz-Blau in Vorarlberg ändert

Aufgrund des Wahlergebnisses wäre durchaus ein dritter FPÖ-Landesrat argumentierbar gewesen. Die ÖVP erzielte bei der Landtagswahl im Oktober einen Stimmenanteil von 38,3 Prozent, die FPÖ 28 Prozent. So nah waren sich die beiden noch nie.

Für die Volkspartei ändert sich nun aber wenig. Wie bei Schwarz-Grün hat sie weiter fünf Landesräte und Landesrätinnen, der Koalitionspartner zwei.

Wallner geht mit unverändertem Team in die kommenden Regierungsperiode - also mit Barbara Schöbi-Fink, Martina Rüscher, Christian Gantner und Marco Tittler

Auch wenn die Koalition in ihrem Arbeitsprogramm "ein gleichberechtigtes Miteinaner von Frauen und Männern betont", sie selbst spiegelt das nicht wieder.

Die Frauenquote in der Landesregierung sinkt von 3:4 auf 2:5.

An den Beginn des Arbeitsprogramms „Der Vorarlberger Weg – mit Mut und Verantwortung für unser Land“ setzt Schwarz-Blau das Kapitel "Standort stärken".

"Das war für beide Seiten sehr zentral", so Bitschi. In Wirtschaftsfragen hatten die beiden Parteien keinen weiten Weg aufeinander zuzugehen. 

Das gilt, nachdem Wallner hier zuletzt seinen Kurs verschärft hat, auch in der Asylpolitik. Und hier gibt es im Vergleich zu früher die gravierendsten Kursänderungen. 

Bei der Vergabe von gemeinnützigen Wohnungen sollen laut dem FPÖ-Chef Deutschkenntnisse und Aufenthaltsdauer in Vorarlberg eine Rolle spielen. 

Wie diese Deutschkenntnisse definiert werden und wer sie überprüfen soll, ließ das neue Regierungsduo noch offen. "Das ist keine Raketenwissenschaft", ist sich Wallner sicher.

Er betonte, dass an ein "Belohnungssystem, kein Bestrafungssystem" gedacht sei. Im Punktesystem der Wohnungsvergabe sollen Deutschkenntnisse künftig ein Vorteil sein.

Wer sich nicht in Gesellschaft bzw. Arbeitsmarkt integriert, soll zudem künftig mit Sanktionen rechnen müssen. Das habe man in Bezug auf den "Vorarlberg-Kodex" auch festgeschrieben.

Hierbei müssen sich Asylwerber seit einigen Monaten per Unterschrift zur Teilnahme an Deutsch- und Wertekursen sowie zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichten. 

Wird die Vereinbarung nicht eingehalten, soll den Betroffenen laut Wallner künftig das Taschengeld gekürzt werden, was die Grünen abgelehnt haben.

Er will dieses Thema auch bei den Regierungsverhandlungen auf Bundesebene "wieder aufs Tapet bringen". Die Bevölkerung wolle "keine Zuwanderungs ins Sozialsystem".

Richtungswechsel: Was sich unter Schwarz-Blau in Vorarlberg ändert

Intensive Verhandlungen hat es zwischen ÖVP und FPÖ offenbar bei der Ausrichtung der Familienpolitik gegeben - nämlich was das Thema der Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung betrifft.

"Die FPÖ hatte den Wunsch, ein Familiengeld einzuführen", so Wallner. Als Kompromiss habe man sich darauf geeinigt, den sogenannten Familienzuschuss bereits für Kinder ab dem ersten Lebensjahr - also früher - auszubezahlen.

Dass es ihm dabei um eine "Herdprämie", sprich einen finanziellen Anreiz für Frauen, Kinder daheim zu betreuen, gegangen sei, wollte Bitschi so nicht verstanden wissen. 

Wer das glaube, habe das FPÖ-Modell nicht verstanden. Der Landeshauptmann betonte, dass der Familienzuschuss auch im Falle von Berufstätigkeit ausbezahlt werde. 

Beide waren sich einig, dass die Kinderbetreuung weiter ausgebaut werden soll. 

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