Verhandlung: Verfassungsgerichtshof hinterfragte Verbot der Sterbehilfe

ÖFFENTLICHE VERHANDLUNG DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFES (VFGH) ZUM VERBOT DER STERBEHILFE: AKTION FÜR SELBSTBESTIMMTES STERBEN
Der Fokus der öffentlichen Verhandlung lag auf der "Mitwirkung am Selbstmord". Am Donnerstag hab es keine Entscheidung.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) befasste sich am heutigen Donnerstag mit dem Verbot der Sterbehilfe. Befragt werden in einer öffentlichen Verhandlung sowohl Befürworter als auch Gegner einer Liberalisierung. Vier Antragsteller, darunter zwei Schwerkranke und ein Arzt, wollten die Strafbarkeit der "Tötung auf Verlangen" und der "Mitwirkung am Selbstmord" kippen. Verteidigt wurde das Verbot von Vertretern der Regierung.

Nach knapp vier Stunden schloss der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Verhandlung. Eine Entscheidung gab es am Donnerstag erwartungsgemäß nicht. Wie Präsident Christoph Grabenwarter sagte, wird der Gerichtshof seine Beratungen in den kommenden Wochen fortsetzen und die Entscheidung dann entweder schriftlich oder mündlich verkünden.

ÖFFENTLICHE VERHANDLUNG DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFES (VFGH) ZUM VERBOT DER STERBEHILFE: MADNER/GRABENWARTER

 VFGH-Vizepräsidentin Verena Madner (li) und VFGH-Präsident Christoph Grabenwarter

Anders als in Deutschland ist in Österreich nicht nur die "Tötung auf Verlangen" strafbar. Auch wer andere beim Selbstmord unterstützt, muss mit sechs Monaten bis fünf Jahren Haft rechnen.

In ihren zu Beginn vom zuständigen Referenten Christoph Herbst vorgetragenen Fragen konzentrierten sich die Richter vor allem auf zweitere Bestimmung - also auf das Verbot der "Mitwirkung am Selbstmord". Die "Tötung auf Verlangen" stand also nicht im Zentrum der öffentlichen Verhandlung.

"Missbrauchspotenzial"

Wissen wollten die Richter unter anderem, ob sich auch Personen strafbar machen, die für einen Sterbewilligen eine Reise zu einer ausländischen Sterbehilfe-Organisation organisieren. Außerdem hinterfragten sie, ob Hilfeleistung beim Suizid anders zu beurteilen wäre als die ebenfalls mit dem selben Strafrahmen bedrohte „Verleitung“ zum Selbstmord. Wissen wollten die Richter auch, wie sich Missbrauch anders als durch ein strafrechtliches Verbot vermeiden ließe.

Das "Missbrauchspotenzial einer liberalisierten Sterbehilferegelung" führte die Regierung in ihrer Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof gegen die Aufhebung ins Treffen. Das Verbot der aktiven Sterbehilfe diene dem Schutz des Lebens anderer und entspringe der Schutzpflicht des Staates gegenüber vulnerablen Personen, argumentierte die Regierung.

ÖFFENTLICHE VERHANDLUNG DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFES (VFGH) ZUM VERBOT DER STERBEHILFE: PILNACEK

Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek vor Beginn der öffentlichen Verhandlung des Verfassungsgerichtshofes (VFGH) zum Verbot der Sterbehilfe

Im Verfahren vertreten wurde sie unter anderem vom Chef des Verfassungsdiensts im Kanzleramt, Albert Posch, sowie von den Justiz-Sektionschefs Georg Kathrein und Christian Pilnacek.

Antragssteller sehen Grundrecht

Die Antragsteller sehen mit dem Verbot der Sterbehilfe dagegen diverse Grundrechtsbestimmungen verletzt - darunter das Recht auf Familienleben, die Religionsfreiheit und die Achtung der Menschenwürde. Zwei der vier Beschwerdeführer begründeten ihren Antrag mit schweren, unheilbaren Krankheiten. Ein weiterer Antragsteller ist Arzt und argumentierte, er sehe sich häufig mit dem Wunsch von Patienten nach Suizidhilfe konfrontiert, könne dem aber nicht nachkommen, ohne sich straf- und disziplinarrechtlichen Konsequenzen auszusetzen.

Verhandlung: Verfassungsgerichtshof hinterfragte Verbot der Sterbehilfe

Der Saal im Verfassungsgerichtshof vor Beginn der öffentlichen Verhandlung 

Als Auskunftspersonen befragt wurden der Wiener Palliativmediziner Herbert Watzke sowie die Ärztin und frühere Wiener Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann.

Häufig landen die nun beim VfGH angefochtenen Delikte übrigens nicht vor Gericht: die Statistik Austria vermerkt seit 2012 nur zwei Verurteilungen wegen "Mitwirkung am Selbstmord" und keine Verurteilung wegen "Tötung auf Verlangen". Einer der Antragsteller verweist allerdings darauf, schon selbst rechtskräftig verurteilt worden zu sein, weil er seine schwer kranke Gattin beim Suizid unterstützt habe.

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