Rechtlich betrachtet, ist Freiheit ein Grundrecht - und jeder Freiheitsentzug ein Eingriff in dieses. Wird über Beschuldigte die U-Haft ausgesprochen, müssen triftige Gründe vorliegen. Neben Fluchtgefahr kann dies auch/und Verdunkelungsgefahr oder Tatbegehungs- und Wiederholungsgefahr sein. Die durchschnittliche U-Haft-Dauer lag im Jahr 2021 bei 90 Tagen - das entspricht einer kontinuierlichen Steigerung. (2003: 63 Tage).
Worauf es ankommt
In 39 der 100 untersuchten Fälle wurde Fluchtgefahr als Grund für die U-Haft angegeben. Leitlinien gibt es dafür keine. Allerdings Parameter, die Einfluss haben: Der Charakter der betroffenen Person spielt ebenso eine Rolle wie die Sittlichkeit, Wohnsituation, Beruf, Vermögen, familiäre Bindungen und die Beziehung zum Land. Oder wie ein im Zuge des Forschungsprojektes befragter Staatsanwalt sagt: "Wenn jemand arbeitet, eine Familie hat, wird er nicht so leicht flüchten wie wenn jemand zum Beispiel Asylwerber ist und nur drei Tage in Österreich war."
Bedeutet: Über Ausländer (auch innerhalb der EU, Anm.) wird deutlich häufiger die U-Haft verhängt als über Inländer. Warum? "Weil Angaben etwa zum Wohnsitz im Ausland nicht so leicht überprüfbar sind", begründet eine Richterin. Auch ob man obdachlos ist oder arm, spielt eine Rolle. Denn dann, so eine häufige Entscheidung, gibt es mehr Gründe, um unterzutauchen.
Strenger Osten
Es gibt aber auch Unterschiede innerhalb Österreichs. Eine Strafverteidigerin: "Im Erwachsenenstrafrecht ist man sehr schnell in U-Haft. Sagen wir einmal so: Vor allem im Osten."
Dabei gibt es mehrere "gelindere Mittel" als eine Untersuchungshaft. Rechtlich möglich ist etwa ein Gelöbnis. Auch Weisungen können ausgesprochen werden, oder Reisepass und Führerschein abgenommen werden. Vorläufige Bewährungshilfe ist ebenso möglich, genauso wie eine Kaution oder Bürgschaft. Und sogar eine Fußfessel könnte eine Untersuchungshaft ersetzen.
Alternative ist die Ausnahme
Doch derartige Alternativen werden nur selten angeordnet. Zwischen 2010 und 2021 war das genau bei 66 Personen der Fall. Speziell die Fußfessel ist eine Ausnahme. Mit Jahresbeginn 2024 hatten 295 Personen eine Fußfessel, nur drei von ihnen haben sich auf diese Weise ihre U-Haft erspart.
Die Forscher kommen zum Schluss: Die individuellen Umstände der Beschuldigten werden oft nicht angemessen berücksichtigt. Gelindere Mittel werden zu selten angewendet. Und das, obwohl die Justizanstalten stetig mit Überbelegung, Platz- und Personalnot kämpfen.
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