Ukrainer in Oberösterreich müssen sich um Job „bemühen“

Eine Ukrainerin mit Kindern bei der Erfassungsstelle für Vertriebene in Niederösterreich im März 2022.
Das Land verlangt, dass Ukrainer, die aus der Grundversorgung Leistungen beziehen, einen Job anstreben müssen.

Bemühungspflicht. Ein sperriges Wort, auf das sich der oberösterreichische Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) bezieht. Ein Wort, vielmehr eine Aufforderung, die es seinen Angaben zufolge nur in Oberösterreich gibt: Um weiter Leistungen aus der Grundversorgung zu beziehen, müssen sich Vertriebene aus der Ukraine entweder beim AMS vormerken lassen oder an Jobbörsen teilnehmen.

Kurz nach dem Jahrestag des Kriegsausbruchs in der Ukraine teilt er mit: „Wer Leistungen beziehen will, muss sich um Arbeit bemühen.“ Deshalb werde man ab sofort auf eben diese Bemühungspflicht verstärkt hinweisen. Als Ziel formuliert Hattmannsdorfer: „Wir wollen die Vertriebenen aus der Ukraine so rasch wie möglich in die Selbsterhaltung bringen.“

Die aktuelle Situation

7.260 Vertriebene aus der Ukraine befinden sich aktuell in Oberösterreich, zwei Drittel davon sind Frauen, 718 Kinder unter sechs Jahren.

5.205 Vertriebene befinden sich aktuell in Oberösterreich in der Grundversorgung des Landes, der überwiegende Teil lebt in privaten Quartieren (4.220 Personen). Die Zahl der Personen in Grundversorgung ist rückläufig, im August des Vorjahres bezogen um 2.000 Personen mehr diese Unterstützung des Landes.

Das ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass immer mehr Menschen aus der Ukraine tatsächlich in den Arbeitsprozess eingegliedert werden.

Zuverdienst

Der Streit um die Zuverdienstgrenze   hat lange gewährt.  Seit Jänner gibt es die Regelung, dass   35 Prozent eines Einkommens, das über der Zuverdienstgrenze liegt, behalten werden darf, solange die 65 Prozent geringer sind als die Grundversorgungsleistung. Wien, Oberösterreich, Vorarlberg, und Steiermark haben das schon umgesetzt, in Tirol, Burgenland und NÖ ist der Zeitpunkt offen, Kärnten blockt ab. 

Perspektive

Wer länger oder  auf  Dauer  in Österreich bleibt, braucht auch eine Job-Perspektive.     Ist für  Kinderbetreuung gesorgt, können auch Mütter bei entsprechender Qualifikation zumindest einer Teilzeitarbeit nachgehen. 

Sichtbarkeit

Nur wenn die Geflüchteten aus der Ukraine auch beim AMS als Jobsuchende vorgemerkt sind, sind sie für die Unternehmen  sichtbar. Allein dadurch, dass sie nun auch  von Zeitarbeitsfirmen an Betriebe  überlassen werden können,   finden sie rascher eine Arbeit.

In Österreich leben derzeit 38.400 Menschen aus der Ukraine im erwerbsfähigen Alter (Personen zwischen 14 und 62 Jahren) – 14.720 davon in Wien, 4.643 in Oberösterreich. Davon haben sich Ende des Vorjahres 12.237 Personen österreichweit in einer (auch geringfügigen) Beschäftigung befunden. Das sind österreichweit 33 Prozent.

In Wien sind es laut den vom Land Oberösterreich ausgehobenen Zahlen nur 21 Prozent Ukrainer, die auch in einer Beschäftigung stehen, in Oberösterreich hingegen 55 Prozent. Und dieser Anteil ist in Oberösterreich bis Ende Februar sogar auf 61 Prozent gestiegen – 2.816 Ukrainer arbeiten dort.

Darüber hinaus sind 1.740 Menschen aus der Ukraine bereits beim Arbeitsmarkservice gemeldet. De facto bleiben aktuell gerade einmal acht Prozent der in Oberösterreich lebenden Ukrainer als Zielgruppe der vom Landesrat angesprochenen Bemühungspflicht übrig.

 

Andere Job-Hürden

Haupthemmnis für die Jobaufnahme ist nicht der fehlende Arbeitswille, sondern fehlende Kinderbetreuungsplätze, Deutsch-Kenntnisse und Anerkennung der Bildungsabschlüsse.

Keine Hilfsarbeiter

Wegen der Sprachbarriere arbeiten schon jetzt etliche der rund 18.000 Beschäftigten weit unter ihrem Bildungsniveau. Job-Integration   darf nicht bedeuten, dass Menschen aufgrund ihrer Notlage in irgendwelche Hilfsjobs gedrängt werden, sondern dass sie ihre Potenziale entsprechend nutzen können. 

Anreize statt Druck

Statt Druck auf die Geflüchteten auszuüben, braucht es mehr und gezieltere  Sprach- und Integrationsmaßnahmen und Betreuung durch das AMS. Auch die Betriebe könnten mehr für die Job-Integration tun, etwa durch gezielte Job-Inserate.   

Dass eine Arbeitsmarktoffensive bei den Vertriebenen aus der Ukraine Sinn ergibt, das bestätigt die designierte Chefin des AMS OÖ Iris Schmidt dennoch. Die Perspektive der Vertriebenen habe sich nämlich geändert.

Passende Jobs gesucht

Waren bisher viele bereit und damit zufrieden, in Hilfsjobs zu arbeiten, sei jetzt zu merken, dass die Ukrainerinnen langfristigere Optionen suchen. „Wir sehen in den Beratungsgesprächen mittlerweile bei vielen, dass sie bleiben möchten“, erläutert Schmidt.

Abgesehen von den acht Prozent, die noch nicht erreicht wurden, gehe es bei der Initiative darum, die passenden Jobs zu den vorhandenen Qualifikationen der Menschen zu finden. Oder die Ukrainer in Gesprächen zu motivieren, in der Heimat abgeschlossenen Ausbildungen hier anerkennen zu lassen, um in diesem Job zu arbeiten.

Zusätzlich startet das AMS mit einer Jobbörse im Zentralraum, die auch in die Bezirke geht, „um den Bedarf oberösterreichweit abzudecken“, so Schmidt, „wenn wir gute Bedingungen schaffen, werden viele in Oberösterreich bleiben wollen. Das müssen wir nützen.“

Ab wann die Grundversorgung tatsächlich gestrichen wird, darauf wollte sich der zuständige Landesrat nicht festlegen lassen: „Jetzt bekommen alle das Schreiben, die Nachweise, wie etwa die Meldung beim AMS, müssen dann bei der bezugssauszahlenden Stelle (in OÖ Caritas und Volkshilfe, Anm.) vorgelegt werden.“ Fälle, wo das nicht passiert, schaue man an und streiche die Leistung.

Die Bemühungspflicht greift in der Grundversorgung übrigens nur für die Menschen aus der Ukraine, da diese auf den Übertritt in den Arbeitsprozess abziele. Und Asylwerber haben im laufenden Verfahren keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, und der Besuch von Deutschkursen falle nicht in den Bemühungspflichten-Katalog.

Kommentare