„Trojanerschild“: So ermittelten heimische Behörden und das FBI verdeckt
120.000 Dollar plus Spesen hat es gekostet, um der Organisierten Kriminalität weltweit einen herben Schlag zu versetzen. Wie berichtet, wurden in den vergangenen Tagen 800 Personen in 16 Ländern – 81 davon in Österreich – festgenommen.
Start für die Operation „Trojanischer Schild“ war im März 2018. Damals wurde der Chef von Phantom Secure (Hersteller von verschlüsselten Handys, Anm.) in den USA angeklagt. Dem FBI gelang es, einen Entwickler des Unternehmens auszuforschen. Er hatte Kryptohandys und Apps verkauft und entwickelte gerade AN0M (siehe Zusatzgeschichte, Anm.). Und er ging auf einen Deal ein: 120.000 Euro plus Spesen. Gleichzeitig entging er einer möglichen Gefängnisstrafe.
Sichere, verschlüsselte Handys – also sogenannte „Kryptohandys“ – sind bei Kriminellen seit Längerem stark nachgefragt und sehr verbreitet. Der Grund: Die Geräte sind nicht zu orten und nicht rückverfolgbar. Es gibt darauf kein Navigationssatellitensystem wie GPS und man kann damit auch nicht über ein Mobilfunknetz telefonieren oder SMS verschicken. Stattdessen gibt es darauf eine Messenger-App, die etwa hinter einer Taschenrechner-App versteckt ist. Über die kann man nur mit anderen Menschen mit Kryptohandys Nachrichten austauschen.
Das galt auch für AN0M. Das Kryptohandy sah aus wie ein normales Handy, aber alle Nachrichten, die darüber verschickt worden sind, waren verschlüsselt und wurden über sichere Server übermittelt. Außerdem gab es eine Funktion, mit der es möglich war, alle Kontakte auf einen Schlag zu löschen.
Die Kriminellen fühlen sich in solchen Netzwerken sicher. Natürlich gibt es trotzdem die Chance, dass verdeckte Ermittler reinrutschten und Chats mitlesen. So konnte bei einem Dienst namens „EncroChat“ ein Drogendealer ausfindig gemacht werden, weil er ein Foto eines Stück Käses veröffentlicht hatte, auf dem auch sein Fingerabdruck zu sehen war.
Bei AN0M konnte allerdings alles im großen Stil von Beamten gesehen werden, dank der eingebauten Schnittstelle zum FBI. Die Behörden konnten die Gespräche der Kriminellen zwar nicht in Echtzeit verfolgen, aber im Nachhinein abfragen.
Bereits im Oktober 2018 wurden die ersten AN0M-Handys in einem Testlauf bei kriminellen Banden in Australien verbreitet. Mundpropaganda war es, die die Geräte in der Unterwelt populär machte. Zuletzt waren 12.000 Geräte im Umlauf. Das FBI las in seinem Büro in San Diego mit. 100 Ermittler werteten im Lauf von 18 Monaten 27 Millionen Nachrichten aus.
BK steigt ein
Im Frühjahr 2021 schließlich wurde auch das heimische Bundeskriminalamt (BK) eingebunden. In Österreich liefen die Ermittlungen – passend zum „Trojanerschild“ – unter dem Titel „Operation Achilles“. FBI-Verbindungsmann war Theodore Callimanis. Der Legal Attaché fungiert in Österreich als Kontaktmann zwischen den heimischen Behörden und einem internationalen Netzwerk an FBI-Agenten. Das Ziel: die globale Terror- und Verbrechensbekämpfung. Für das BK war es keine Frage, sich an der Aktion zu beteiligen.
Am 1. April ging es in die heiße Phase, die mit den Razzien ihren vorläufigen Höhepunkt erlebt hat. Im BK ist man überzeugt, dass speziell gegen Balkan-Drogenbanden ein „spürbarer“ Schlag gelungen ist. „Da geht es nicht mehr um Straßendealer, sondern um die Hintermänner. Dank der Chatprotokolle haben wir alles schwarz auf weiß“, erklärt Daniel Lichtenegger, Leiter des Büros zur Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität. Dem Ermittler zufolge geht die Arbeit jetzt aber erst los: „Wir sind mitten in der Auswertung. In den nächsten Montan werden wir noch bei vielen Kriminellen anklopfen.“
Kommentare