FBI legt Kriminelle mit Handy-App herein: 81 Festnahmen in Österreich
FBI-Aktion führt auch in Österreich zu dutzenden Festnahmen, und Begehrlichkeiten
Bei einer der größten Polizei-Aktionen gegen das Organisierte Verbrechen haben Ermittler weltweit mehr als 800 Verdächtige in 16 Ländern festgenommen. In Österreich wurden 67 Hausdurchsuchungen durchgeführt und 81 Personen festgenommen, berichteten Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. Außerdem fanden die heimischen Ermittler 707 Kilo Suchtmittel, 35 Waffen und 650.000 Euro Bargeld.
Schwerpunkte waren die Bundesländer Wien, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg. Es werde noch Monate dauern, bis die Experten alle Daten ausgearbeitet haben, betonte Nehammer. 13 Verdächtige sitzen seit gestern in Haft, berichtete Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien.
Es wurde auch bereits die U-Haft über diese Personen beantragt. Im Lauf des Mittwochs sind weitere 15 Verdächtige in die Justizanstalt Josefstadt eingeliefert worden, so die Behördensprecherin. Hier standen die U-Haft-Anträge noch aus. Den Haupttätern wird Bussek zufolge internationaler Drogenhandel vorgeworfen. „Es geht um Kokain, Heroin und Marihuana in sehr großen Mengen.“
Zusammengefasst gab es in Österreich:
- 81 Festnahmen
- 12 internationale Haftbefehle
- 67 Hausdurchsuchungen (35 Waffen, 707 Kilo Drogen und 650.000 Bargeld sichergestellt)
- 13 Personen bereits in Haft
Der Schlag gegen die Kriminellen lief in Österreich unter dem Namen „Operation Achilles“. Es wurden Observationen und Telefonüberwachungen sowie internationale Datenabgleiche durchgeführt. Bei einem „Action Day“ am 7. Juni kamen österreichweit 400 Ermittler und Mitglieder von Spezialeinheiten zum Einsatz.
Wegen Mordes gesuchter festgenommen
Franz Ruf, Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, verwies besonders auf die Festnahme eines in Serbien wegen dreifachen Mordes gesuchten Beschuldigten. Bei dessen Festnahme wurden zehn Kilo Heroin sichergestellt. „Er ist einer der Anführer der Syndikate.“ Darüber hinaus wurden die Entführung einer Person in Serbien und eine schwere Misshandlung geklärt.
Ein „Läufer“, ein untergeordnetes Bandenmitglied, das bei der Organisation 2.000 Euro Schulden hatte, sei in Wien in einen Keller verschleppt, mit einem Hammer malträtiert und schwer verletzt worden. „Das Ganze wurde mit einer Videoaufzeichnung dokumentiert. Man sieht darauf, wie dieses Opfer jammert und um Hilfe bittet“, führte Ruf aus. Zudem sei dessen Bruder mit dem Umbringen bedroht worden. Weiters wurde ein wegen internationalen Suchtgifthandels gesuchter Serbe in Österreich festgenommen, „gegen den auch Mordermittlungen in seiner Heimat geführt werden“. Zwölf Haftbefehle sind noch nicht vollstreckt, weil sich die Verdächtigen im Ausland aufhalten. Ruf zeigte sich aber zuversichtlich, „diese sehr rasch vollziehen zu können“.
Ruf schlüsselte die sichergestellten Drogenmengen auf: 30 Kilo Kokain, 26 Kilo Heroin, 60 Kilo Streckmittel, 261 Kilo Cannabisharz und 390 Kilo Marihuana. „Der Straßenverkaufswert würde einen hohen Millionenbetrag ergeben“, so der Generaldirektor. „Man kann davon ausgehen, dass weitere Maßnahmen und Zugriffe im Bereich der Organisierten Kriminalität in den nächsten Tagen und Wochen vonstattengehen“, kündigte der Generaldirektor an.
Bei der Operation „Trojan Shield“ (Trojanerschild) war Europol mit dem FBI federführend. Aus Österreich wurde ein leitender Beamte in die USA entsandt, zwei weitere Beamte zu Europol. „Die internationale Kooperation unserer Polizeibehörden ist ein wesentlicher Schlüssel bei der erfolgreichen Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“, unterstrich Nehammer. Der Innenminister betonte auch, dass Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität inzwischen - schon alleine wegen der Finanzierung - immer mit Terrorermittlungen einhergehen. Zu dem Terroranschlag im vergangenen Jahr in Wien wurden allerdings keine Verbindungen gefunden.
Abhör-App
In mehr als 100 Staaten sollen die Täter aktiv gewesen sein. Über 18 Monate lang hatten internationale Ermittler Telefongespräche und andere Kommunikationswege der Banden abgehört. Mehr als 27 Millionen Nachrichten wurden gefiltert. „Es wurden Daten von 12.000 Krypto-Handys von über 300 kriminellen Organisationen entschlüsselt“, berichtete Ruf. Zadic hob wie alle bei der Pressekonferenz Teilnehmenden die ausgezeichnete Zusammenarbeit aller Behörden - national wie international - hervor. „Kein Land, keine Organisation kann mehr alleine vorgehen“, sagte auch Theodore Callimanis vom FBI. Der Schlüssel sei „Partnerschaft“.
Die Ermittler hörten weltweit Verbrecherbanden ab – und das eineinhalb Jahre lang. Seit 2019 betreiben die Ermittlungsbehörden einen verschlüsselten Nachrichtendienst namens „AN0M“, der eigens konzipiert wurde, um kriminelle Gruppierungen anzusprechen. Es gibt etwa eine Funktion zur Fernlöschung von Inhalten oder verdeckte Notsignale. Die Software wurde auf Handys vorinstalliert, die dann von verdeckten Ermittlern im kriminellen Milieu verbreitet wurden. Zuletzt lief die „Abhör-App“ auf mehr als 12.000 Geräten und wurde von rund 300 kriminellen Organisationen in mehr als 100 Ländern genutzt, darunter Mafia-Banden, Motorradgangs und Drogensyndikate.
Der Zusammenschluss internationaler Ermittlungsbehörden, darunter eben auch das österreichische Bundeskriminalamt, wertete die gesammelten Nachrichten schließlich aus, die Kriminelle in 18 Monaten verschickt hatten. Darin zu finden waren konkrete Pläne für Drogengeschäfte, Geldwäsche oder Bandenmord. Die Operation war eine der größten und komplexesten koordinierten Einsätze überhaupt, sagte der stellvertretende Europol-Direktor Jean-Philippe Lecouffe am Dienstag in Den Haag.
Wie der KURIER in Erfahrung bringen konnte, waren in Österreich die Spezialeinheiten WEGA und Cobra sowie Ermittler der jeweiligen Landeskriminalämter eingebunden. Die Hausdurchsuchungen sollen ohne Gegenwehr und nennenswerte Zwischenfälle abgelaufen sein. Die Razzien richteten sich vor allem gegen die Drogenszene.
In einer Wohnung in Wien-Liesing wurde auch der mutmaßliche Capo einer österreichischen Zelle eines Verbrechersyndikats angetroffen und festgenommen. Es handelt sich um eine Gruppe großteils aus Serbien stammender Tatverdächtiger. Sie sollen mit Verbindungsleuten in dem und über den Westbalkan ein lukratives Drogengeschäft aufgebaut haben.
50 Mio. Dollar gesichert
Die Operation stand unter Leitung des FBI, der US-Drogenbehörde FDA, der Polizei von Schweden und der Niederlande und war von Europol koordiniert worden. Allein in Deutschland wurden bei der grenzübergreifenden Aktion über 150 Wohnungen, Lagerhallen und Geschäftsräume durchsucht. 70 Personen wurden festgenommen, mehr als 1.500 Beamte waren im Einsatz.
Dank der Datenauswertung wurden weltweit in Summe 700 Hausdurchsuchungen durchgeführt, es erfolgten mehr als 800 Festnahmen. Außerdem konnten acht Tonnen Kokain, 22 Tonnen Cannabis sowie zwei Tonnen synthetische Drogen (Amphetamine und Methamphetamine) sichergestellt werden.
Weiters stellte die Polizei 250 Waffen, 55 Luxusautos sowie umgerechnet knapp 50 Millionen US-Dollar in unterschiedlichen (Krypto-) Währungen sicher. Das Ermittlungsnetzwerk erwartet sich aufgrund der immensen gesicherten Datenmenge künftig weitere Schläge gegen das organisierte Verbrechen weltweit.
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