Tourismusbremse Grenzstaus

Die meisten ausländischen Touristen kommen aus Deutschland. Franz Sattlecker, Geschäftsführer der Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft, fürchtetet, dass es bei dieser Gruppe Rückgänge geben könnte
Kontrollen schrecken Besucher aus Deutschland ab. Branche zittert um das Wintergeschäft.

Franz Sattlecker, Geschäftsführer der Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft (SKB), ist besorgt. Laut des "Vienna Tourism Indicators" (halbjährlich erscheinender Marktforschungsbericht, Anm. ) könnte sich die aktuelle Flüchtlingssituation negativ auf den Tourismus auswirken.

Auch wenn er für die kommende Saison generell positive Zahlen prophezeit: Die Einschränkungen im Zugverkehr oder die Grenzkontrollen könnten Gäste aus dem benachbarten Deutschland von der Reise abhalten.

Tourismusbremse Grenzstaus
Dr. Franz Sattlecker (rechts)
Wiens Hotellerie-Obfrau Andrea Steinleitner kann die Befürchtung nachvollziehen: „Wenn ein Gast nicht rasch und unkompliziert von A nach B kommt, kann es sein, dass sich er die Reise noch einmal überlegt.“

Tagesgäste aus Bayern

Diese Entwicklung fürchten auch die Touristiker in den Wintersportregionen. Eineinhalb Stunden Wartezeit auf der Rückfahrt von Salzburg nach Deutschland am Autobahn-Grenzübergang Walserberg sind derzeit keine Seltenheit. Skigebiete und Hotellerie zittern um Kurzurlauber und Tagesgäste aus Bayern. Viele Gäste wollen sich die Umstände womöglich nicht antun, so die Befürchtungen.

"Es herrscht eine gewisse Angst, dass Gäste ausbleiben. Das betrifft vor allem die Orte an der Tauernautobahn", sagt Petra Nocker-Schwarzenbacher, Tourismus-Spartenobfrau der Wirtschaftskammer. Sie wäre als Hotelierin in St. Johann im Pongau selbst betroffen. Nachfragen von Gästen gebe es, Auswirkungen seien bisher aber keine bemerkbar – die Buchungslage sei sehr gut, vergleichbar mit dem Vorjahr.

Christian Ehrensberger hingegen bereiten die Kontrollen schon jetzt Kopfzerbrechen, einen Monat vor dem Saisonbeginn. Er ist Geschäftsführer der Bergbahnen Werfenweng. Neun Lifte, 28 Pistenkilometer. Ein Zwerg im Vergleich zu den großen Skiregionen des Bundeslandes. Gut 1800 Gästebetten gebe es im Ort – zu wenig für die Bergbahn, um zu überleben, sagt Ehrensberger. Deshalb habe sich das Skigebiet auf günstige Karten für Tagesskifahrer spezialisiert. Etwa 60 Prozent des Umsatzes entfalle auf Tagesskigäste, davon kommt ein Viertel aus Bayern. "Wenn es bei den Kontrollen so bleibt, wie es ist, wird das sicher ein Problem für uns werden."

Nervosität in Tirol

Das sehen Touristiker auch auf Tiroler Seite des Deutschen Ecks so, wo der Grenzübergang zwischen Bayern und Kufstein ein Nadelöhr ist, das ebenfalls kontrolliert wird. "Zurzeit ist die Buchungslage ganz normal. Aber wenn mit dem Schnee Zigtausende Gäste kommen, dann gibt es mit Sicherheit Monster-Staus, wenn die Situation so bleibt. Das wäre nicht gerade werbewirksam", sagt Siegfried Egger, der ein Hotel in Kirchberg betreibt.

Der Tourismussprecher der VP im Landtag sieht insbesondere die Skigebiete im Tiroler Unterland betroffen. "Bleiben die Grenzkontrollen aufrecht, hat das Auswirkungen auf die bayerischen Tagesgäste, die für die Region enorm wichtig sind." Schon ohne diese Zusatzhürde gehören Staus im Winter auf der Inntalautobahn zum Alltag. Direkt hinter Kufstein biegt die Blechlawine auf die Landesstraße Richtung der Skizentren rund um Kitzbühel ab.

Tourismusbremse Grenzstaus
Andreas Steibl, Geschäftsführer des Tourismusverband (TVB) Ischgl
Aber auch im Tiroler Oberland wird die Situation kritisch betrachtet. "Deutsche Gäste, die nur für einen Kurzurlaub kommen wollen, könnten die Staus nicht in Kauf nehmen wollen", sagt der Tourismuschef von Ischgl, Andreas Steibl, der befürchtet: "Wenn das mit den Kontrollen so weitergeht, bekommen das alle zu spüren."

Keine Schwarzmalerei

Michael Brandl von der Tirol Werbung hält nichts von Schwarzmalerei: "Im Tourismus kann es immer Verzögerungen im Reiseverkehr geben. Das gilt auch für die Bahn und Flugzeuge – etwa bei Streiks. Wir werden auch diese Situation lösen." Brandl betont, dass die Kontrollen nur bei der Ausreise aus Tirol zu Behinderungen führen und man im Falle auch Ausweichrouten bewerben wird.

Plus aus Asien

Walter Straßer vom Wien-Tourismus ergänzt, dass der Tourismus einfach eine Branche sei, in der Krisen schnell spürbar sind. Aktuelle Zahlen würden auch noch keinen Grund zur Beunruhigung geben. Im September konnte ein österreichweites Plus an deutschen Gästen im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet werden. Oft kann der Wegfall eines Marktes aber auch durch Gewinne aus anderen Ländern abgefedert werden. So gibt es Weiterhin starke Zuwächse von Gästen aus dem asiatischen Raum. Allein im September stiegen die Nächtigungen von Gästen aus Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten um mehr als 50 Prozent.

Die Österreichische Hoteliervereinigung warnt zudem vor vorschnellen Trendbekundungen, die die falschen Bilder im Kopf enstehen lassen könnten. Angesichts der Hintergründe der Kontrollen und Einschränkungen, ergänzt Wiens Hotelier-Obfrau: „Die humanitäre Geschichte steht hier eindeutig im Vordergrund.“

Österreich ist vorerst vom Streik des Lufthansa-Bordpersonals kaum betroffen. Von den rund 290 Flügen, die die AUA-Konzernmutter ab den Flughäfen Frankfurt und Düsseldorf am Freitag streichen musste, betrafen nur vier Österreich. Konkret ging es um die Abendflüge WienFrankfurt bzw. GrazFrankfurt. Am Samstag fällt der Frühflug WienFrankfurt aus. In Deutschland werden ab 6 Uhr Früh neuerlich Frankfurt und Düsseldorf bestreikt.
Wie es am Montag weitergeht – am Sonntag macht der Streik Pause – ist derzeit offen. Nächste Woche dürfte die Gewerkschaft Ufo auch den Flughafen München bestreiken. Im Arbeitskampf mit 19.000 Flugbegleitern geht es um Übergangs- und Betriebsrenten.

Im Gegensatz zum Schienen- und Straßenverkehr ist der Flugverkehr laut Flughafen Wien und AUA von den Flüchtlingsströmen praktisch nicht beeinträchtigt. Der Flughafen verzeichnete im September ein Passagier-Plus von vier Prozent, im Gesamtjahr wird eine Zunahme von bis zu zwei Prozent erwartet. Es gebe auch keine Anzeichen, dass die Zahl der Wien-Besucher wegen der Flüchtlinge zurückgehe.
Auch die AUA hat keine Hinweise darauf, dass die Probleme mit den Flüchtlingsströmen potenzielle Gäste von einem Flug nach Wien abhalten.jan

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