Totengräber: Seelentröster an der ewigen Ruhestätte
„Absagen hat es noch nie gegeben“, sagt Helmut Polszter, wenn man ihn fragt, wie es ist, bei Wind und Wetter im Freien zu arbeiten. Der 54-jährige ist Totengräber am Mödlinger Friedhof - und Beerdigungen halten sich eben nicht an den Wetterbericht. Wobei, Polszter mag die Bezeichnung Friedhofsarbeiter lieber. „Wenn manche Menschen Totengräber hören, rennen sie gleich davon“, erzählt er über Bekannte. Oder sie glauben, er würde scherzen.
Tatsächlich schaufeln Polszter und seine drei Kollegen die Gräber noch händisch – und zwar dann, wenn der Bagger nicht zu den engen Grabreihen vordringen kann.
"Grabgerät", nennt der 54-Jährige das Gefährt lapidar. Mit seinen vier spinnenbeinartigen Stützen, mit denen der Bagger Halt zwischen den Gräbern findet, hat er eine unheimlichen Optik, was wiederum zum Friedhof passt.
Auch Gartenarbeit - Heckenschneiden, Rasenmähen oder Laub von den Gräbern räumen - gehört zu Polszters Job. Und natürlich das Anführen des Trauerzugs. Rund 7.000 Gräber gibt es in Mödling.
Seit 27 Jahren ist der 54-Jährige, der zuvor Betriebselektriker war, sich aber beruflich verändern wollte, am Friedhof beschäftigt. „Ich wohn’ auch da“, sagt er und deute mit dem Kopf in Richtung eines benachbarten Wohnhauses. Angst, dass er Beruf und Freizeit dank ständigem Blick auf die Grabsteine zu wenig trennen kann, hat er nicht. „Ich nehm sie nicht mehr wahr“, sagt er. Und immerhin sei er bei Notfällen rasch zur Stelle. Ja, die gibt es. Etwa als im Sommer eine umgestürzte Kerze Hecke und Gräber in Brand steckte. Da konnte Polszter Schlimmeres verhindern.
Mitunter ist der 54-Jährige auch Seelentröster der Friedhofsbesucher. Manche würden ihre Verstorbenen jeden Tag besuchen, erzählt er während er an einem liebevoll gepflegten Grab vorbei führt. Bunte Spielzeugautos bedecken die Oberfläche. Man müsse sich aber abgrenzen, "auch wenn das traurig ist". Ganz gelingt es ihm nicht. "Vergessen tut man die Gschropperl ned.“
Vandalismus und Diebstähle
Friedlich ist es zwischen den Grabreihen, doch mitunter trügt der Schein, wie Polszter verrät. Immer wieder gäbe es Vandalismus und Diebstähle, vorwiegend am helllichten Tag. "Den alten Leuten sag ich schon öfter, dass sie ihre Handtaschen nicht auf den Gräbern stehen lassen sollen."
Generell gewöhne man sich an die Arbeit am Friedhof. Auch an die Exhumierungen, etwa wenn Tote in andere Särge umgebettet werden müssen. „Am Anfang hüpft das Herz, weil man nicht weiß, was einen erwartet“, erzählt Polszter und spielt damit auf Liegedauer und Bodenbeschaffenheit an.
Nachwuchs zu finden, sei mitunter schwierig. Nicht nur wegen des Image des Jobs. "Ich glaube, dass es nicht viele Leute gibt, die die Schaufel in die Hand nehmen", meint der 54-Jährige. Denn die Arbeit könne schon hart sein. Es gebe Tage, da müssten drei Gräber geschaufelt oder gebaggert werden, immerhin gibt es in Mödling 250 Beerdigungen pro Jahr. Eine stundenlange Aufgabe, wenn etwa Steine oder Wurzeln im Erdreich stecken. Die müssten jedenfalls händisch entfernt werden. Man bleibe fit, meint der 54-Jährige schulterzuckend. Für ihn ist es der ideale Job. "Ich mag es gerne. Ich könnte mir nicht vorstellen, was anderes zu machen."
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