Verstorbene Ärztin: Obduktion bestätigt Suizid
"Zwei Angehörige der Ärztin beantragten am Dienstag die Obduktion der Leiche", sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wels dem KURIER. Gegen 15.30 Uhr lag das Obduktionsergebnis am Mittwoch vor: Die Staatsanwaltschaft geht weiterhin von einem Suizid der Ärztin aus. "Aufgrund bereits vorliegender Anfragen ist festzuhalten, dass keinerlei Sachverhaltselement vorliegt bzw. zu Tage getreten ist, welches Gegenteiliges in irgendeiner Form indizieren würde", so die Staatsanwaltschaft Wels.
Indes geht der Leiter der Polizei-Pressestelle OÖ rechtlich gegen Kritiker vor. Im Fall der Morddrohungen gegen die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, die sich in der Vorwoche das Leben genommen hat, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft München. Die Anklagebehörde in Wels hatte ja die Ermittlungen gegen einen deutschen Verdächtigen mangels territorialer Zuständigkeit eingestellt. Der in der Causa in die Kritik geratene oberösterreichische Polizeisprecher David Furtner geht indes juristisch gegen Kritiker vor.
Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II - die Behörde ist für das Umland der bayrischen Hauptstadt zuständig - Andrea Grape bestätigte auf APA-Anfrage am Mittwoch "Ermittlungen gegen eine männliche Person wegen des Verdachts der Beleidigung und der Bedrohung". Nähere Details wollte sie dazu unter Verweis auf ein laufendes Verfahren nicht machen.
Hackerin hat Verdächtige ausfindig gemacht
Eine Hackerin aus Deutschland hatte zwei Deutsche ausfindig gemacht, die Droh-E-Mails verfasst haben sollen. Da das aber bedeuten würde, dass der Tatort nicht in Österreich liegt, mussten die Ermittlungen gegen diese Verdächtigen in Österreich eingestellt werden. Den heimischen Strafverfolgungsbehörden sind nach aktueller Rechtslage bei einem vergleichsweise "schwachen" Delikt wie der gefährlichen Drohung in grenzüberschreitenden Fällen die Hände gebunden.
Auch die Staatsanwaltschaft Berlin wurde von den österreichischen Behörden über mögliche Verdächtige in ihrem Zuständigkeitsbereich informiert. Dort hieß es allerdings, dass vorerst kein Verfahren bekannt sei, was aber auch daran liegen könne, dass internationale Übernahmen immer Zeit in Anspruch nehmen würden. In Österreich wird nach wie vor gegen unbekannte Täter ermittelt.
Unterlassungserklärung an Twitter-User
Der Leiter der Polizei-Pressestelle Oberösterreich geht unterdessen rechtlich gegen Kritiker vor. David Furtner hatte am 28. Juni im "Ö1"-Mittagsjournal der Ärztin unterstellt, sie habe in die Öffentlichkeit gedrängt, wolle "über die Medien das eigene Fortkommen" fördern und sie habe den Fall "sehr sehr dramatisch" dargestellt. Ein Twitter-User hat nun von einem Anwalt Furtners eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung erhalten, nachdem er den Polizeisprecher nach dem Tod der Ärztin kritisiert hatte.
Die massiven Angriffe aus der Coronaleugner-Szene auf die Ärztin hatten im November 2021 begonnen, nachdem die Medizinerin eine Demo vor dem Klinikum in Wels auf Twitter kritisierte. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich sprach daraufhin von einer "Falschmeldung". Dieser Tweet war "Grundlage für eine Flut an Beschimpfungen, Beleidigungen, Verleumdungen, Drohungen und größten Anstrengungen von Anhängern der Szene, mir größtmöglichen Schaden zuzufügen. Er dient als Begründung, mich eine Lügnerin zu nennen, eine Hexe, die Ordination durch schlechte Bewertungen zu schädigen und vieles mehr. Also wenn jemand von denen seine Drohungen wahr machen sollte kennen Sie ihren Anteil daran", antwortete Kellermayr bereits am 17. November der Polizei Oberösterreich. Mehrfach bat sie um Löschung des Tweets. Dieser ist bis heute auf der Twitter-Seite der Polizei OÖ mit mehr als 11.300 Followern ersichtlich.
Schweigen der Regierung
Während sich etwa in Deutschland etliche hochrangige Politiker klar äußerten, war in Österreich bis auf den Gesundheitsminister auch fünf Tage nach dem Tod nur Schweigen der Bundesregierung zu vernehmen.
In Deutschland meldeten sich etwa Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), SPD-Vorsitzende Saskia Espen, Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz, der Präsident der deutschen Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, und sogar der stellvertretender Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, zu Wort. Tenor aller: Es müsse mehr gegen den zunehmenden Hass im Netz unternommen werden.
In Österreich rief Bundespräsident Alexander van der Bellen noch am Todestag Kellermayrs zu einem Ende des Hasses auf, legte sogar vor der Praxis in Seewalchen Blumen nieder. Auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kondolierte per Twitter. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigten sich ebenfalls betroffen. Die erste Reihe der Exekutive blieb allerdings weitgehend still: Weder Bundeskanzler Karl Nehammer, noch Innenminister Gerhard Karner oder der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (alle ÖVP) meldeten sich aktiv zu Wort. Einzig die oberösterreichische Gesundheitsreferentin LHStv. Christine Haberlander (ÖVP) bekundete in einer Aussendung nicht nur ihr Beileid, sondern forderte auch die Möglichkeit grenzüberschreitender Strafverfolgung für Hass-Delikte. Darüber hinaus gab es aber keine Wortspenden von Politikern in Regierungsfunktionen und keine Teilnahme an den zahlreichen Mahnwachen.
Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.
Das neue österreichische Suizidpräventionsportal www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.
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