Es ist ein klassischer Straßenwahlkampf – ungewöhnlich für eine Partei, die seit 1945 den Landeshauptmann stellt – mit teils mehreren Tourstopps täglich. Bei einem Halt in Wattens nahe Innsbruck vergangene Woche ist der Hauptplatz durchaus gut besucht für einen Vormittag.
„Diese Veranstaltungen sind der Hit“, sagt Mattle zum KURIER, während er – noch bevor er zum Mikrofon greift – jeden Anwesenden einzeln per Handschlag begrüßt. Der Ex-Bürgermeister fühlt sich sichtlich wohl in diesem Umfeld. Aber ob das reicht, um den Vertrauensverlust, den die machtbewusste Volkspartei erlitten hat, wettzumachen, wird sich erst am Abend des 25. September zeigen. Am kommenden Sonntag sind 535.000 Tiroler zur Wahl gerufen.
In Wattens zückt Mattle bei seinem Besuch in den Gesprächen mit Bürgern und dem örtlichen Bürgermeister immer wieder das Handy, notiert sich die Anliegen, will sichtlich immer alles selbst im Griff haben. Im Wahlkampf ist das nicht immer gelungen.
Da sind der ÖVP einige ungewohnte Schnitzer unterlaufen. Die in Tirol hochgezogene Debatte um den Klimabonus für Asylwerber etwa wurde derart groß, dass sie ÖVP-Bundesgeneralsekretärin Laura Sachslehner als Rücktrittsgrund diente. Am Ende blieb die Frage, ob es in der Partei, die ohnehin ein massives Imageproblem hat, einen Richtungsstreit gibt.
Nach 14 Jahren Günther Platter müssen der alte Parteiapparat und der neue ineinandergreifen, tun es aber noch nicht. Es hakt, statt geschmiert zu laufen.
Mattle wurde mit dem im Juni überraschend von Platter angekündigten Rückzug samt Ausrufung von vorgezogenen Neuwahlen praktisch direkt in den Wahlkampf geworfen. Zeit für die Aufstellung eines auf ihn zugeschnittenen Teams blieb dabei nicht. Vieles wirkt improvisiert. Keine guten Voraussetzungen, um das größte Debakel in der Geschichte der Volkspartei im schwarzen Kernland Tirol zu verhindern.
Auf das werden die Funktionäre inzwischen seit Wochen vorbereitet, immer im Hoffen, dass sich das Wahlergebnis dann doch deutlich über 30 Prozent bewegt. Mattle selbst hat sich inzwischen bei 34 Prozent die Latte gelegt. Der bisherige Tiefpunkt der Volkspartei: 39,4 Prozent, die 2013 auf die Kappe Platters gingen.
Jeder einzelne Prozentpunkt Minus könnte über das Schicksal von Mattle als Parteiobmann und seine mögliche Zukunft als Landeshauptmann entscheiden. Noch machen ihm Spitzenfunktionäre in Hintergrundgesprächen die Mauer. Die Werte, ab wann sie den neuen Parteichef ins Wanken geraten sehen, divergieren. Fällt die Volkspartei unter 30 Prozent, bricht wohl Chaos in den eigenen Reihen aus.
Der größte Trumpf von Mattle: Offensichtliche Alternativen zu ihm tun sich nicht auf. Für die junge nachdrängende Garde käme der Aufstieg wohl noch zu früh, anderen scheint der Rückhalt in der Partei zu fehlen. Und was dem Frontmann praktisch alle hoch anrechnen: Dass er die VP von Platter trotz miserabler Umfragewerte übernommen hat.
Kommentare